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Heinz Buschkowsky

© Kitty Kleist-Heinrich

Interview: "Erst entgleiten die Stadtgebiete, dann die Menschen"

"Prävention mit Repression": Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky fordert ein härteres Durchgreifen in Problembezirken. Sein Angebot, die umstrittenen Erkenntnisse aus seinen Reisen nach London und Rotterdam vor der SPD-Fraktion zu referieren, war am Donnerstag dankend abgelehnt worden.

Sehen Sie in der Absage Ihres Diskussionsangebots von der Berliner SPD-Fraktion einen Krieg der Parteiflügel?

Ich muss ehrlich sagen, ich halte das alles für etwas aufgeblasen. Ich habe dem Fraktionsvorsitzenden Michael Müller geschrieben und angeboten, wenn die Fraktion es will, kann ich gerne über meine Eindrücke aus London und Rotterdam erzählen. Was dann abgelaufen ist, ist mir ziemlich unverständlich. Egal, ob man dem zustimmt oder nicht, ist es eine politische Diskussion, der man nicht ausweichen kann. Das sind Fragen, die die Menschen interessieren. Auch bei uns gibt es Probleme mit Verwahrlosung, mit Asozialität, mit um sich greifenden Parallelgesellschaften in einigen Stadtbezirken.

Was sind die zentralen Erkenntnisse, die Sie von ihren Besuchen in den Problembezirken von London und Rotterdam mitgenommen haben?

Erstens: Man muss hinschauen, und man muss etwas tun. Zweitens: Wenn man nicht hinschaut, entwickeln sich Stadtgebiete wie in Whitechapel, Brixton, oder wie es vor fünf Jahren in Rotterdam war. Drittens: Wenn man sich engagiert um diese Quartiere kümmert, mit Gefühl und Härte, mit Prävention und Repression, dann kann man sogar gekippte Gebiete zurückholen. Die vierte Erkenntnis: Erst entgleiten die Stadtgebiete, und dann entgleiten die Menschen. Die wählen dann radikal. Die Rotterdamer haben gesagt: Wir haben unseren Pim Fortuyn gelernt.

Sind die Maßnahmen aus Rotterdam und London überhaupt auf Berlin zu übertragen?

Störerfamilien werden in Rotterdam schlichtweg umgesiedelt. Über diese Sachen müssen wir gar nicht diskutieren. Es gibt unter der Schwelle viel einfacherere Dinge, über die man nachdenken kann: Der Schulbesuch ist das A und O. Aus mangelhaftem Schulbesuch entwickelt sich alles. In Rotterdam werden die Schulzeugnisse nur an die Eltern ausgegeben - das erzwingt ein Gespräch zwischen Lehrern und Eltern. In jeder Schule gibt es Elternzentren, die jeden Tag von 8 bis 16 Uhr in Betrieb sind, die Kurse für Eltern anbieten. In London haben die Schulen ihren eigenen Polizeibeamten.

Und wenn jemand nicht zur Schule kommt, drohen Bußgelder?

Das geht immer Hand in Hand: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Das heißt, man muss Angebote machen und sagen: Hier helfen wir dir, hier kannst du dich verbessern, aber wir erwarten von dir auch, dass du dich vernünftig benimmst und nicht deinen Nachbarn das Leben vergällst. Denn das ist nur eine kleine Minderheit.

Das Prinzip heißt also, dass finanzielle Unterstützung vom Staat als Druckmittel eingesetzt wird?

Das Wissen, es geht mir ans Portemonnaie oder es kommt der Möbelwagen, führt dazu, dass sich das Verhalten verändert. Wenn Sie in Rotterdam nachfragen: Wie oft haben Sie denn einer Familie im letzten Jahr die Sozialhilfe auf null gekürzt? Dann sagen die: eigentlich gar nicht. Das ist das Ende von fünf Jahren Arbeit: Seit sich herumgesprochen hat, dass sie es ernst meinen, kommen bestimmte Verhaltensweisen nicht mehr vor. Oder seit in einem Viertel von 60.000 Einwohnern zwei Familien umgesiedelt wurden, haben weitere acht Familien, die Sorge bereitet haben, ihr Verhalten geändert.

Warum haben Ihre Äußerungen für so heftige Reaktionen gesorgt?

Das Thema ist einfach unbequem. Das ist dieser Berliner Pawlowsche Reflex: Wir sind die besten, bei uns ist alles in Ordnung, wir brauchen niemand, der uns sagt, wie man das macht. Ich bin in zwei Städte gefahren, um mit den Ohren und Augen zu stehlen - zu gucken, was machen andere. Dass wir die schlauesten sind, stimmt zwar, aber es kann ja sein, dass andere uns schon sehr nahekommen (lacht). Die Verhältnisse sind bei uns bei weitem nicht so weit, wie sie in Rotterdam waren oder in Whitechapel heute sind. Aber müssen wir da erstmal hin? Kann ich nicht vorher durch ein bisschen mehr Konsequenz und Obacht, durch ein Durchsetzen der Regeln verhindern, dass es so weit kommt? Das sind kleine Beispiele, wo Sie keine Gesetze ändern müssen, wo Sie nur den Willen brauchen. Wir wollen schauen, ob wir Menschen nicht doch mehr Halt und Orientierung geben können, was sie zu tun oder zu lassen haben.

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