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Jugendhilfe: Rechenspiele auf Kosten des Kinderschutzes

Die versprochenen Stellen für die Jugendhilfe bei den Bezirken gibt es immer noch nicht, weil die Koalition sich nicht auf die nötige Zahl an Sozialarbeitern einigen kann.

Die personelle Verstärkung der Jugendämter, des Gesundheitsdienstes und der Ordnungsämter, die innnerhalb der Koalition und zwischen Senat und Bezirken umstritten ist, lässt weiter auf sich warten. Der Senat strich das Thema gestern von der Tagesordnung. Denn ein Bericht der Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) über die benötigten Sozialarbeiterstellen für den Kinder- und Jugendschutz war noch nicht fertig.

Zwar drückte der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller in der Kabinettssitzung aufs Tempo. Die Personalausstattung der Bezirke müsse am nächsten Dienstag endgültig beschlossen werden. Aber der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wies in der Sitzung darauf hin, dass es zum Beispiel schwierig sei, qualifizierte Sozialarbeiter zu bekommen. Der Markt sei leergefegt. Linksfraktionschefin Carola Bluhm soll sich verhalten optimistisch gezeigt haben, dass für die Personalprobleme im öffentlichen Gesundheitsbereich bis zur nächsten Woche eine Lösung gefunden werden kann.

Schon am Montag musste die Koalition eine geplante Beratung im Jugendausschuss zur Reform des öffentlichen Gesundheitsdienstes von der Tagesordnung nehmen. SPD und Linken fehlte eine gemeinsame Berechnungsgrundlage, wie die Bezirke künftig ausgestattet werden müssen. Einerseits sinken die Kinderzahlen, andererseits haben die Ämter neue Aufgaben: verpflichtende Untersuchungen und Besuche bei jungen Eltern, Hörberatungsstellen und Schultherapien für behinderte Kinder. Die letztere Aufgabe möchte die SPD den freien Trägern überlassen, die Linke nicht.

Verwirrung gibt es vor allem über die Frage, ob es für den Kinder- und Jugendschutz 2,5 oder 1,7 Sozialarbeiter pro 10 000 Kinder geben müsse – und wie die angekündigten neuen 24 Sozialarbeiterstellen in diese unklare Bemessung einzurechnen sind. Offen ist auch, woher die Bezirke ausreichend qualifizierte Mitarbeiter für die Kinder- und Familienberatung nehmen sollen.

Einig ist man sich in der Koalition über die personelle Aufstockung der zwölf Jugendämter um jeweils zwei Stellen. Unstrittig sind auch 88 neue Mitarbeiter für zusätzliche Aufgaben der Ordnungsämter, die aus dem Stellenpool des öffentlichen Dienstes rekrutiert werden sollen. Für beide Bereiche legte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gestern im Senat Berichte vor. Allerdings stellte sich heraus, dass es schwierig und bisher noch nicht gelungen ist, die Ordnungsämter aus dem Personalüberhang (Stellenpool) komplett zu versorgen. Sollte auch Senatorin Lompscher in der nächsten Woche ihr Konzept vorlegen, will der Senat einen Gesamtbeschluss fassen.

Wie die Lösung wichtiger Fragen verschleppt werden kann, zeigt übrigens nicht nur Gesundheitssenatorin Lompscher. Ihr Senatskollege Jürgen Zöllner (SPD) hatte 2006 sieben Monate gebraucht, um einen Berichtsauftrag des Parlaments zur „Sicherstellung des Bedarfs an qualifiziertem Personal in den Jugendämtern“ zu beantworten. Noch im März 2007 äußerte Zöllner im Jugendausschuss die Überzeugung, dass dies ein Bezirks- und kein Landesproblem sei.

Ulrich Zawakta-Gerlach

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