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Lompscher

© promo

Katrin Lompscher: Senatorin Gnadenlos

Vor einem Jahr kannten Katrin Lompscher wenige. Jetzt ist sie die Frau, die mit Rauchverbot und Umweltzone viele gegen sich aufbringt.

So, wie sich manche Kommentare in Internetforen lesen, braucht sie demnächst Personenschützer. Denn für einige ist Katrin Lompscher eine böse Kommunistin, die ihnen aus Lust am Verbieten die Autos wegnehmen will. Und wenn in vier Wochen nicht nur die Umweltzone in Kraft tritt, sondern auch das Rauchverbot, dürften noch einige Feinde hinzukommen. Falls noch jemand mit Gammelfleischvergiftung umfällt, Vattenfall den Grundstein fürs Kohlekraftwerk legt, mal wieder ein Heizpilz explodiert und ein grippekranker Vogel vom Himmel fällt, wäre der Schlamassel komplett. Denn abgesehen von der zukünftigen Unterbringung von Knut ist Lompscher für fast alles zuständig, was richtig Ärger verspricht.

Als die 45-Jährige vor einem Jahr zur Senatorin gewählt wurde, war sie nur in den Bezirken bekannt, in denen sie einst aktiv war: in Treptow als PDS-Verordnete, in Mitte als Bürgerdeputierte, in Lichtenberg als Stadträtin für Stadtentwicklung.

Weggefährten an ihren vergangenen Wirkungsstätten sagen durchaus Sätze wie: „Ihr einziger Fehler ist, dass sie uns verlassen hat.“ Kompetent sei sie gewesen, hartnäckig und geradlinig. Das schätzen auch die Mitarbeiter in ihrer Verwaltung, die nach der Wahl neu zusammengewürfelt wurde: Gesundheit und Verbraucherschutz waren zuvor bei Lompschers Parteifreundin Heidi Knake-Werner angesiedelt; von Ingeborg Junge- Reyer erbte sie das Umweltressort. Dessen Trennung von der Verkehrsverwaltung war ein Grund dafür, dass es bei der Planung der Umweltzone oft knirschte. Hinzu kam, dass Lompschers neue Verwaltung nicht nur schlank, sondern stellenweise magersüchtig war: Zeitweise bestand ihre Pressestelle aus nur einer Mitarbeiterin – so dass nach außen hin manchmal geschwiegen wurde, als Erklärungen Not getan hätten.

Derart gestählt, strahlt Lompscher eine gewisse Unverwüstlichkeit aus. Vor zehn Tagen, Minuten vor der rot-roten Zitterpartie ums Polizeigesetz, saß mit einem geschätzten Puls von 55 im Foyer des Abgeordnetenhauses, während die Koalitionäre ringsum langsam flatterig wurden. Auf den heftigen Beschuss von Wirtschaft und Autolobby wegen der gnadenlos vorangetriebenen Umweltzone angesprochen, sagte sie sehr ruhig: „Es ist immer dasselbe, das sich da dreht. Aber jeden Tag dreht sich’s ein bisschen schneller.“ Wenige Tage zuvor hatte sie eine Dreiviertelstunde lang auf eine FDP- Anfrage geantwortet: 28 Fragen, 28 Antworten. Circa bei Frage 17 beschied sie den unruhigen Liberalen, dass sie ruhig mal zuhören könnten. Hinterher bemerkte der Parlamentspräsident, dass die Fraktionen künftig vielleicht kürzere Anfragen stellen sollten. Und alle außer Lompscher sahen müde aus.

Sie ist keine große Rednerin, sondern eine ganz normale. „Hoffentlich behält sie ihr Berlinern bei“, sagt ein Senatskollege; manchmal verfalle sie nämlich „schon in diesen Bürokratensprech“. In der Regierung sei sie für ihre Konsequenz und guten Nerven geschätzt. Die Idee, Klimaanlagen in den Dienstwagen zu verbieten, die einige Kollegen obendrein zuerst über die Medien erreichte, haben sie ihr verziehen. Aber der Anfängerbonus ist verbraucht.

Während sie beim Nichtraucherschutzgesetz als Raucherin in den Verdacht der Halbherzigkeit geriet, ist sie beim Dienstwagen vorbildlich: Im November wurde ihr Hybrid-Toyota geliefert – ohne Brimborium, aber mit Spezialsitz für den Chauffeur, damit der nicht jenen Zeiten nachweint, als er noch Mercedes fuhr. Der Umweltbereich ist ohnehin Lompschers Lieblingsthema. „Ökologische Stadtentwicklung interessiert sie sehr“, präzisieren manche, aber mit Rücksicht auf die dafür zuständige Kollegin Junge- Reyer nur hinter vorgehaltener Hand.

Dass Lompscher gerade die für die Wirtschaft so problematische Umweltzone stoisch vorantreibt, mag auch mit der Marktwirtschaftsskepsis zu tun haben, die sie als stellvertretende Landeschefin der Linkspartei geradezu haben muss. Aber in erster Linie – das sagen zumindest alle, die man fragt – lässt Lompscher sich von den Fakten leiten: Die Mehrheit der Berliner lebt ohne Auto. Bundesweit sterben laut einer EU-Studie 65 000 Menschen vorzeitig wegen feinstaubbelasteter Luft; jedes Mikrogramm weniger bedeutet einen halben Monat mehr Lebenserwartung.

Während CDU und FDP Lompscher als Feindin der Wirtschaft geißeln, finden die Grünen: „Ankündigungsstark und umsetzungsschwach.“ Gemeint ist ihre anfängliche Sprachlosigkeit angesichts von Vattenfalls Kraftwerksplänen ebenso wie fehlende Kontrollen der energetischen Gebäudesanierung und ihre Einstellung zu den klimaschädlichen Heizpilzen: „Idiotisch“ findet sie die, aber verbieten will sie sie nicht. Vielleicht, weil sie auch so schon genug Feinde hat. Stefan Jacobs

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