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Klausurenstreit: Hamburg lässt Schulen entscheiden

Hoffnung für alle demonstrierenden Berliner Schüler: Auch in der Hansestadt Hamburg sind schon einmal Prüfungsaufgaben durchgesickert, aber nicht alle Schüler mussten deshalb ihre Klausuren neu schreiben. Auch der FU-Verwaltungsrechtler Christian Pestalozza betrachtet die Pläne der Bildungsverwaltung mit Skepsis. Er hält eine Eidesstattliche Versicherung der Schüler für einen möglichen Ausweg.

Zwei Juristen - drei Meinungen. Diese Binsenweisheit bewahrheitet sich in der Auseinandersetzung um die Wiederholung der vorab bekannt gewordenen Mathematikklausur: Während die Berliner Bildungsverwaltung keine Alternative zu einer kompletten Wiederholung für alle 28.000 Prüflinge sieht, verzichtet die Hamburger Bildungsbehörde auf diesen Schritt - obwohl auch dort Prüfungsaufgaben der Zehntklässler bekannt waren.

"Bei uns entscheiden die Schulleiter selbst, ob sie neu schreiben lassen", teilte gestern die Sprecherin der Hamburger Bildungsbehörde, Annegret Witt-Barthel, auf Anfrage mit. Dort hatten Schüler von etwa zehn der 80 Real-und Gesamtschulen Zugriff auf die Englischaufgaben der Zentralprüfung, wie Ende Mai bekannt geworden war.

Ausweg Eidestaatliche Versicherung?

Verständnis für das Hamburger Vorgehen hat der renommierte Berliner Verwaltungs- und Verfassungsrechtler Christian Pestalozza. "Dem ehrlichen Prüfling muss man die Wiederholung der Prüfung zum Mittleren Schulabschluss nicht zumuten", sagte Pestalozza dem Tagesspiegel. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, nachzuweisen, dass jemand nicht geschummelt habe, müsse man demjenigen die erneute Mathematikklausur am kommenden Montag nicht zumuten.

Pestalozza sieht mehrere Möglichkeiten, um sich davon zu vergewissern, dass jemand nicht gemogelt hat. Eine Möglichkeit sei die Ablegung einer Eidesstattlichen Versicherung. Er glaubt, dass Eltern einem Zehntklässler klar machen könnten, welche Relevanz eine derartige Versicherung habe. Abgesehen davon sieht der Jurist auch die Möglichkeit, die Meinung des jeweiligen Lehrers einzuholen: Wenn die Leistungen eines Schülers dem entsprächen, was er sonst leiste, könne man davon ausgehen, dass er die Aufgaben nicht vorab hatte, findet der FU-Professor. Nur dann, wenn es unmöglich sei, die Ehrlichen von den Schummlern zu unterscheiden, müsse die Prüfung wiederholt werden. "Da gibt es dann nichts", sagt Pestalozza - auch wenn ihm nicht behagt, dass man "ein Organisationsverschulden der Schulen oder der Verwaltung auf dem Rücken der Prüflinge austrägt".

Schüler gehen erneut auf die Straße

Auf jeden Fall hält Pestalozza es für richtig, dass Betroffene über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung versuchen, das Nachschreiben zu verhindern. Zwei solcher Anträge lägen inzwischen vor, bestätigte gestern Stephan Groscurth, der Sprecher des Verwaltungsgerichts. Auf den ersten Antrag vom Montag müsse die Bildungsverwaltung heute reagieren. Am Donnerstag sei dann mit einer Entscheidung des Gerichts zu rechnen, erwartet Groscurth. Dagegen könne die Bildungsverwaltung aber Beschwerde einlegen. Dann wäre das Oberverwaltungsgericht gefragt, das sich noch am Wochenende, also vor dem Nachschreibetermin am Montag, positionieren müsste.

Falls das Gericht zugunsten der Antragsteller entscheidet, gilt dies im Prinzip nur für den konkreten Fall. Groscurth fände es aber "merkwürdig", wenn Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) trotz einer solchen Entscheidung alle anderen Schüler neu schreiben ließe.

Die Betroffenen haben erstmal eigene Pläne: Sie wollen am Donnerstag erneut gegen die Wiederholung der Prüfung demonstrieren. Allerdings ist diese Kundgebung noch nicht genehmigt, weil sie innerhalb der Bannmeile des Parlaments geplant ist. (Tsp)

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