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Kraftwerksbau: Hamburg probt den Energie-Aufstand – Vorbild für Berlin?

In der Hansestadt sucht Schwarz-Grün Alternativen zum Bau eines Kohlekraftwerks. Politiker in der Hauptstadt finden das hochinteressant. Der Druck auf Vatenfall nimmt zu.

Mit einem spektakulären Schachzug könnte Hamburg zum Vorbild für die Berliner Energiepolitik werden: Hier wie da plant Vattenfall den Bau eines neuen Kraftwerks, und hier wie da hagelt es Kritik wegen der Aussicht, dass es mit klimaschädlicher Steinkohle befeuert werden könnte. In Hamburg war das Thema zuletzt der Hauptstreitpunkt bei den Koalitionsverhandlungen von CDU und Grünen – und könnte nun auf ganz eigene Art erledigt werden.

Auf Einladung der Grünen präsentierten Vertreter des Ökostromanbieters Lichtblick Pläne für ein Gaskraftwerk. Außerdem einigten sich die Verhandler laut „Focus“ darauf, bei den großen Vattenfall-Konkurrenten Angebote für ein Gaskraftwerk einzuholen, das den Vattenfall-Bau ersetzen könnte. Aus Gas entsteht bei der Strom- und Wärmeproduktion nur knapp halb so viel klimaschädliches Kohlendioxid wie aus Steinkohle.

„Hochinteressant“ findet der SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz die Entwicklung in Hamburg. Nach langen Diskussionen sei die Hauptstadt-SPD ohnehin zu der Erkenntnis gelangt, dass „die von Vattenfall vorgelegten Planungen für Berlin grundlegend zu überarbeiten sind“. Vor allem halte man die ins Gespräch gebrachte Leistung von 800 Megawatt Strom und 650 Megawatt Fernwärme für völlig überzogen. Andererseits: Wer kleiner bauen will, muss entweder eine teure Sonderanfertigung einkaufen – oder eben gleich eines oder mehrere Gaskraftwerk bauen, denn die gibt es auch kleiner. Solch eine dezentrale Lösung ist auch Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) sympathisch,

Vattenfall-Sprecherin Barbara Meifert stellte gestern klar, dass in Berlin weiter „verschiedene Brennstoffe und Standorte geprüft“ würden. Als Favorit galt bisher das Gelände am veralteten Kraftwerk Klingenberg in Lichtenberg, das zurzeit die östlichen Bezirke mit Fernwärme versorgt. Und beim Brennstoff war es das Vattenfall-Management, das Gas wegen angeblich inakzeptabler Einkaufskonditionen bereits für ungeeignet befand.

Die Kalkulation dürfte sich durch den Emissionshandel ab 2013 ändern. Dann müsste Vattenfall die Klimaschädigung durch die Kohle teuer bezahlen – so teuer, dass nach Berechnungen des FDP-Umweltexperten Henner Schmidt das Gas unterm Strich billiger würde. Die Emissionskosten dürften die Berliner in Form höherer Fernwärmepreise zu spüren bekommen, zumal Vattenfall auf diesem Markt kaum Konkurrenz hat. Mit einem neuen Kraftwerk würde sich der Konzern das Monopol auf Jahrzehnte sichern.

Auch der Grünen-Umweltexperte Michael Schäfer verfolgt die Hamburger Entwicklung gespannt. Für ihn ist die Ausgangslage in Berlin viel günstiger, „weil wir hier noch lange nicht so weit sind wie in Hamburg, wo schon die Baugrube ausgehoben wird“. In Berlin sei es noch nicht zu spät, potenzielle Konkurrenten zu ermuntern, um den Neubau entbehrlich zu machen. „Insofern finde ich es umso dringlicher, dass sich die SPD endlich mal eine Meinung dazu bildet“, sagt Schäfer. Immerhin sei eine Allparteienresolution gegen die Kohle-Option bisher an der SPD gescheitert. Was politischer Druck bewirken könne, habe man ja im Herbst gesehen, als Vattenfall die geplante Umstellung des Gaskraftwerks im Märkischen Viertel auf Kohlestaubbefeuerung abgesagt habe: „Genau einen Tag vor einer geplanten Resolution des Parlaments.“ Stefan Jacobs

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