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Kulturrevolution: Eberhard Diepgens Diskussionspapier zur Reform der Berliner CDU

Der ehemalige Bürgermeister Berlins präsentiert seine Ideen einer reformierten Berliner CDU. Denn, so das Ehrenmitglied: "Die Partei ist besser als das gegenwärtige Erscheinungsbild".

Das chinesische Schriftzeichen für Krise bedeutet auch Chance. Jede Organisation braucht hin und wieder eine kleine Kulturrevolution um frei durchzuatmen und eingefahrene Verhaltensweise aufzubrechen. Die Union wird das mit einer Satzungsänderung verbinden. Die Vorstandsarbeit soll gestrafft, einzelne Mitglieder mit klaren inhaltlichen Schwerpunkten der Berliner Öffentlichkeit besser vorgestellt und auf der anderen Seite die Einflussmöglichkeiten der so genannten einfachen Mitglieder ausgebaut  werden. Diese Satzungsänderungen müssen in der Partei breit diskutiert und mit dem nächsten Parteitag im Frühjahr beschlossen werden. Bis dahin aber darf die Partei mit einem nur amtierenden Vorstand nicht faktisch handlungsunfähig sein und in der Öffentlichkeit nur als inhaltsleeres, streitendes Personalkarussell erscheinen. Die Partei ist besser als das gegenwärtige Erscheinungsbild und sicher haben die Menschen auch andere Sorgen als parteiinterne Querelen.

Mitgliederbefragungen zu Sachthemen halte ich für ein wichtiges Element einer innerparteilichen Diskussion. Bei Personalfragen habe ich da aber Zweifel. Nur auf den ersten Blick überzeugt die Idee. Das ist wie bei Volks- und Bürgerbegehren, an deren Ergebnis sich die verantwortlichen Gremien nicht halten müssen. Das führt wie beim Bürgerbegehren gegen die Spreerandbebauung nur Politikverdrossenheit. Entweder Urwahl durch die Mitglieder oder Formen der repräsentativen Demokratie. Man denke an Hessens SPD. Bei der Mitgliederbefragung hatte sich nicht Frau Ypsilanti durchgesetzt. Die nach der Satzung zuständigen Gremien konnten und haben aber anders entschieden.

Zwei Themen würde ich gerne noch auf die Tagesordnung setzen. Die Landesliste für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Sie wäre eine wichtige Ergänzung zu den Wahlkreiskandidaten und Bezirkslisten. Aus meiner Sicht müssen die Wähler auch die Chance zur Veränderung von Vorschlagslisten der Parteien erhalten. Das gibt es anderswo im Kommunalwahlrecht. In Berlin gibt es eine Initiative zu einem Volksentscheid. Die Union sollte das Thema aufgreifen. Darin liegt ein Schlüssel im Kampf gegen Politik- oder besser Parteienverdrossenheit.    

Wer die Neuwahl eines Landesvorsitzenden der Berliner CDU bis ins Frühjahr verschieben will, will den Berlinern und dem Berliner Senat den Anspruch auf eine leistungsfähige Opposition verweigern. Das ist nicht nur eine Frage nach den Interessen der Union - die Partei verliert damit auch viel Zeit für die Vorbereitung von Europa und Bundestagswahl. Eine schwache Opposition verleitet die Akteure jeder Regierung zur Arroganz und Selbstgefälligkeit. In Berlin denke ich an die Diskussion an den Umgang mit der bezirklichen Selbstverwaltung, das Verhalten gegenüber potentiellen Großinvestoren oder auch den Umgang mit Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung. Angesichts der geplanten Veränderung in der Berliner Schule brauchen wir eine kritische und leistungsfähige parlamentarische Begleitung. Mehr Abiturienten ohne Rücksicht auf die Qualität des Abiturs wäre keine Verbesserung. Unterschiedliche Begabungen und Interessen dürfen nicht in einem Einheitsbrei untergehen. Und ein Facharbeiter ohne Abitur ist auch keine gescheiterte Bildungsexistenz.

Jeder hat Recht zu einer Kandidatur.  Das kann auf dem geplanten kleinen Parteitag  oder auch im Frühjahr beim Landesparteitag geschehen. Jeder hat auch das Recht, den vom Landesvorstand vorgeschlagenen Weg zu kritisieren. Bei einzelnen Wortmeldungen  erscheint mir allerdings die Mahnung gerechtfertigt, dass das Gemeinwohl und auch das Interesse der Union den eigenen Wünschen vorgeht. 

Jetzt kann die CDU nur einen Landesvorsitzenden für den  Rest der Wahlperiode  wählen. Diese Verfahrensfragen interessieren die Berliner sicherlich einen Kehricht. Eine demokratische Partei muss sich aber an ihre bundesweit geltenden Regeln halten. Die Union kann den Berlinern ihre Mannschaft für die Arbeit der nächsten Jahre damit erst im Frühjahr vorstellen. Das Gespann Frank Henkel und Monika Grütters soll weiter gestärkt werden. Gemeinsam vertreten sie eine sozial engagierte, liberale Großstadtpolitik. Als wichtige Themenfelder wurden Wirtschaftswachstum, Bildung und eine umfassende Integrationspolitik  herausgestellt Für meine Bindung an die CDU ist es sehr wichtig, dass Frank Henkel in seinen bisherigen Funktionen Sicherheit immer auch als soziale Sicherheit definiert hat, Solidarität und Subsidiarität als Kernbegriffe der Unionspolitik versteht. Damit ist er bei den Sorgen und Wünschen der Menschen. Als alter Ostberliner wird er auch die Themen der Menschen aus der ehemaligen DDR wieder in den Vordergrund rücken. Es ist doch bemerkenswert, dass der Berliner Senat seit dem Eintritt der PDS in die Senatsverantwortung keine Akzente für eine Politik zur Überwindung noch vorhandener Unterschiede zwischen Ost und West gesetzt hat. Ich wünsche mir außerdem, dass die Union klare Akzente in der Stadtgestaltung setzt. Die Stadtarchitektur muss mit Leidenschaft und einem Blick in die nächsten Jahrzehnte gestaltet werden. In den letzten Jahren – insbesondere nach der Entmachtung des unbequemen Hans Stimmann – wurde das nur noch einzelnen Investoren überlassen und sonst auf Reparaturarbeiten beschränkt.

Friedbert Pflüger hat mit seinem Werben für eine Jamaika-Koalition die Chancen zu einem wirklichen Machtwechsel in Berlin verdeutlicht. Bei dieser Option wird es auch bleiben. Die Oppositionsparteien wollen in diesen Wochen allerdings aus dem schlechten Erscheinungsbild der Union Nutzen ziehen. Deswegen auch skeptische Äußerungen zu einer möglichen Zusammenarbeit. Das wird sich legen,  Chancen zu gemeinsamen politischen Erfolgen gegen den rot-roten Senat werden sicher auch in Zukunft genutzt. Aus der punktuellen Zusammenarbeit können sich dann weitere Chancen ergeben. Nur darum geht es - und um die Phantasie, die sich um die Möglichkeit von Koalitionen jenseits von Rot-Rot ranken. Die Union hat aber keine Veranlassung, den Grünen oder der FDP inhaltlich nachzulaufen. Von der Sozialpolitik der FDP trennen mich Meilen. Und die Grünen sollten die harte Wirklichkeit von Nord-Neukölln zur Kenntnis nehmen, bevor sie anderen Vorschläge zur Integrationspolitik machen. Viele Wähler der Grünen sind zudem im Kern ihrer bildungspolitischen oder auch wirtschaftspolitischen Vorstellungen konservativ. Ihr freiheitliches Lebensgefühl konnte die Union mit ihren Repräsentanten bisher nicht ausreichend ansprechen.

Eberhard Diepgen

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