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Nebeneinkünfte: Das Portemonnaie als Politikum

Während das Parlament noch um die Offenlegung von Nebeneinkünften streitet, gehen einige Abgeordnete mit gutem Beispiel voran.

Der SPD-Politiker Sven Kohlmeier hatte eine glückliche Kindheit. So kann man es zumindest auf seiner Website www.sven-kohlmeier.de nachlesen. Und auch sonst hat das Abgeordnetenhausmitglied aus dem Marzahn-Hellersdorfer Ortsteil Kaulsdorf keine Angst davor, über sich öffentlich Auskunft zu geben. Während im Abgeordnetenhaus im Zuge der Steinbrück-Honorardebatte derzeit darüber gestritten wird, ob und in welchem Umfang auch Berliner Landespolitiker ihre Einkünfte jenseits der Politikerdiäten offenlegen sollten, setzt der 36-jährige Kohlmeier, der neben seinem Abgeordnetenhausmandat auch als selbstständiger Rechtsanwalt arbeitet, auf umfassende Transparenz – und unterscheidet sich damit von der Mehrheit seiner Kollegen in der SPD-CDU-Koalition. Im vergangenen Jahr habe er „durchschnittliche monatlich zu versteuernde Einkünfte der Stufe 1 (1000 bis 3500 Euro) oder am unteren Rand der Stufe 2 (bis 7000 Euro)“ gehabt, schreibt Kohlmeier. Dabei orientiert sich der Sozialdemokrat, der seit 2006 im Abgeordnetenhaus sitzt und auch rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, an dem Stufenmodell, das für Bundestagsmitglieder gilt.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus will ein ähnliches Verfahren auch für Berlin einführen – noch sperren sich die Regierungsfraktionen von SPD und CDU aber dagegen, ein entsprechender Antrag der Grünen wurde kürzlich im Rechtsausschuss abgelehnt, am Donnerstag soll im Plenum über ihn abgestimmt werden. Bisher ist im Abgeordnetenhaus lediglich die öffentliche Angabe Pflicht, welche Berufe man ausübt, in welchen Gremien und Verbänden man sitzt und an welchen Gesellschaften man beteiligt ist. Die Höhe der Einkünfte müssen Berliner Landespolitiker im Gegensatz zu ihren Bundestagskollegen bislang nicht öffentlich preisgeben.

Sozialdemokrat Kohlmeier, der wegen der aus seiner Sicht fehlenden Rechtssicherheit bei der Übertragung der Bundestagsregeln auf ein Halbtagsparlament ebenfalls gegen den Oppositionsantrag auf totale Offenheit ist, geht auf seiner eigenen Website allerdings weiter als es die Bundestagsrichtlinien erfordern: „Der Schwerpunkt meiner anwaltlichen Tätigkeit liegt im IT- und Telekommunikations-Recht, Vertragsrecht und Vereinsrecht“, schreibt er da. „Ich habe keine Mandate vom Land Berlin oder ihm nachgeordneten Einrichtungen oder Unternehmen, an denen das Land Berlin beteiligt ist.“ Er vertrete Mandanten „gegenüber dem Land Berlin z. B. gegenüber der Verwaltungsbehörde in ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren (z.B. Verkehrsrecht), gegenüber dem Job-Center (Sozialrecht) oder dem Bezirksamt (Verwaltungsrecht)“. Dann führt er sogar aus, in welchen Fällen er vom Land Kostenerstattungen bekommt.

Wieso der SPD-Mann vorprescht und damit viele Kollegen aus der eigenen Koalition alt aussehen lässt, begründet er so: Immer wieder seien die Diäten und Nebentätigkeiten von Abgeordneten Gegenstand von Diskussionen, immer wieder werde die mangelnde Transparenz kritisiert. „Dem möchte ich entgegenwirken und lege meine Einkünfte offen.“

So viel Transparenz bieten neben einer Handvoll SPD-Kollegen sonst nur die Oppositionsvertreter von Piraten und Grünen. Beide Fraktionen haben auf ihren Internetseiten aufgelistet, welcher Politiker wie viel Geld neben der Parlamentstätigkeit verdient. Dabei gehen die Piraten am weitesten und führen – von Ausnahmen abgesehen – neben den genauen Verdiensten meist auch auf, wofür und von wem das Geld kam. Wen es interessiert, der kann hier zum Beispiel nachlesen, wie viel der Piraten-Abgeordnete Pavel Mayer aus der Vermietung einer Doppelhaushälfte in Brandenburg sowie durch Aktien einer Designagentur verdient hat. Das erscheint zwar politisch kaum relevant – aber sollte Mayer sich eines Tages als politischer Vorkämpfer für die Besserstellung vermieteter Doppelhaushälften oder von Designagenturen hervortun, hätte der Wähler zumindest die Möglichkeit, seine Motivlage fundiert zu beurteilen.

So weit geht die Berliner Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen nicht, aber sie erfüllt zumindest die Vorgaben des Bundestages und veröffentlicht nach einem Fraktionsbeschluss aus diesem Sommer auf ihrer Internetseite die ungefähre Höhe der Einkünfte, die ihre Abgeordneten neben dem Mandat bekommen. Woher das Geld genau kommt, wenn zum Beispiel ein Abgeordneter monatlich bis zu 3500 Euro für „Kommunikationsberatung“ verdient, bleibt hier allerdings unklar. Auch ist bislang noch nicht jeder Aufsichtsratsposten angegeben – was die Fraktion noch „nachsteuern“ will, wie ihr rechtspolitischer Sprecher Dirk Behrendt sagt.

Die Fraktion der Linken hat kürzlich beschlossen, Nebeneinkünfte in konkreter Höhe öffentlich zu machen – allerdings nur, wenn Abgeordnete die im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Mandats erzielen. Was einzelne Abgeordnete jenseits ihrer politischen Funktion verdienen, will die Linke auch weiterhin nicht offenlegen. „Ich habe keine Nebentätigkeiten, sondern einen Hauptberuf“, sagt der Linken-Abgeordnete Wolfgang Albers dazu. Der gesundheitspolitische Sprecher ist Chirurg, war lange Zeit Oberarzt und arbeitet derzeit mit einer halben Stelle als freigestellter Betriebsrat bei Vivantes. Gefragt, wieso er die daraus resultierenden Einkünfte nicht offenlegt, sagt er, die Frage habe sich bisher nicht gestellt. Da er aber nach Tarif bezahlt werde, sei das für Interessierte auch „kein Geheimnis“.

Während in der SPD neben Kohlmeier noch eine Handvoll Abgeordneter von sich aus ihre Einkommensverhältnisse inklusive Verdiensthöhe offenlegt, sperrt sich die CDU bisher kategorisch dagegen. „Wir tun das, was das Landesabgeordnetengesetz vorschreibt“, sagt der CDU-Rechtspolitiker Sven Rissmann. So gibt er preis, als Fachmentor an der Fernuniversität Hagen zu arbeiten sowie als Rechtsanwalt und Teilhaber einer Anwaltssozietät. Mehr nicht. Das Gehaltsstufenmodell sei nicht übertragbar auf das Teilzeitparlament, findet er, da für das Abgeordnetenhaus anders als für den Bundestag „systematisch Berufstätigkeit vorausgesetzt wird“. Er folge dem Gesetz und seinen „moralischen Maßstäben“, sagt Rissmann. „Und ich sehe nicht, wo da ein Interessenskonflikt liegen könnte.“ Dennoch kann sich der CDU-Politiker vorstellen, für Berlin die Vorschriften zumindest so weit zu ändern, dass Abgeordnete künftig auch angeben müssen, ob sie mit öffentlichen Unternehmen zusammenarbeiten.

Mit seiner Privatinitiative ist Kohlmeier in der Koalition also bisher nicht mehrheitsfähig. Begründung: Die Berliner Teilzeit-Abgeordneten seien darauf angewiesen, einem Beruf jenseits der Politik nachzugehen. Außerdem ließe sich gerade für die vielen Rechtsanwälte im Abgeordnetenhaus keine rechtssichere Lösung finden, ohne dass unzulässige Informationen über ihre Arbeit bekannt würden.

Dem steht allerdings eine juristische Expertise aus dem Abgeordnetenhaus entgegen. In einem nicht öffentlichen Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes zur Vergleichbarkeit von Bundestag und Abgeordnetenhaus, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird explizit empfohlen, die Bundesregelung auf das Berliner Parlament zu übertragen: „Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen“, heißt es da mit Bezug auf das Bundesverfassungsgericht. Es sei „nicht ersichtlich, dass die Transparenzregeln des Deutschen Bundestages für Teilzeitparlamentarier ungeeignet oder unangemessen sind, um die von dem Abgeordneten neben dem Mandat wahrgenommenen Tätigkeiten mitsamt den erzielten Einkünften und die daraus möglicherweise resultierenden Interessenverflechtungen für die Wähler sichtbar zu machen“.

Die Parlamentsjuristen sind sogar der Meinung, dass die Gefahr einer möglichen Interessenverquickung im Abgeordnetenhaus eher noch größer ist als im Bundestag, da die Landespolitiker wegen ihrer niedrigeren Diäten im Zweifel noch stärker von anderen Geldquellen abhängen: „Die Transparenzregeln des Deutschen Bundestages erscheinen unter diesem Gesichtspunkt nicht weniger, sondern sogar in besonderem Maße geeignet, um dem Wähler die für die Stimmabgabe erforderlichen Informationen zu verschaffen.“

Vor diesem Hintergrund hoffen die Grünen, eines Tages doch noch eine Mehrheit für ihr Anliegen zu bekommen, mehr Transparenz in die finanzielle Lage der Abgeordnetenhausmitglieder zu bekommen. Dass einzelne Vertreter der Regierungskoalition wie SPD-Mann Kohlmeier von sich aus schon weitergehen, freut den Grünen-Rechtspolitiker Behrendt zwar. „Wenn immer mehr Abgeordnete von sich aus das machen, sodass es eines Tages zum guten Ton gehört, wäre das schön“, sagt er. „Aber das ist leider nicht zu erwarten.“

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