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Warme Mahlzeit. Damit es sich jedes Kind leisten kann, in der Schule zu essen, plant die Bundesregierung eine Subventionierung von bis zu zwei Euro pro Tag. Das Land Berlin subventioniert das Essen aber schon, ebenso wie andere Aktivitäten für arme Kinder.

© dpa

Neue Regelsätze: Berlin will Hartz-IV-Reform blockieren

Die Landesregierung will gegen die neuen Hartz-IV-Regelsätze vorgehen und erwägt eine Verfassungsklage. "Das machen wir nicht mit", sagt Sozialsenatorin Bluhm.

Die Landesregierung will mit allen rechtlichen und politischen Mitteln gegen die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze für bedürftige Familien vorgehen. „Das machen wir nicht mit“, sagte Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) am Dienstag. Berlin werde im Bundesrat gegen das Vorhaben stimmen. Der Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, und die SPD-Sozialpolitikerin Ülker Radziwill bekräftigten die Absichten ihrer Parteien, möglicherweise auch mit einer Verfassungsklage die von der Bundesregierung vorgestellte Reform zu bekämpfen. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um dagegen vorzugehen“, sagte Wolf.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen den Umgang der Bundesregierung mit Kindern. Die sind nach Ansicht von Sozialsenatorin Bluhm „wieder einmal die Leidtragenden“. So seien auch bei der Neuberechnung der Regelsätze die wirklichen Bedürfnisse der Jüngsten nicht berücksichtigt worden. Das sei in Berlin fatal: Fast 172 000 Kinder und Jugendliche leben hier laut Sozialverwaltung in Bedarfsgemeinschaften, also in Hartz-IV-Familien – rund jeder dritte Berliner unter 18 Jahren. Insgesamt leben in der Stadt mehr als eine halbe Million Menschen, die Hartz-IV-Leistungen empfangen, die meisten in Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg. Wie viel Geld Arbeitslose bekommen, hängt ab von ihrem Bedarf. Der setzt sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 359 Euro sowie Zuschüssen zu Unterkunft und Heizungskosten.

Die Bundesregierung will die Hartz-IV- Sätze für Erwachsene um fünf Euro auf 364 Euro monatlich heben. Die Sätze für Kinder sollen weitgehend unverändert bleiben, aber anders berechnet werden. Für den Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider wurde der Bedarf gerade für Kinder und Jugendliche „willkürlich heruntergerechnet“ (siehe Interview).

Die Bundesregierung war vom Verfassungsgericht aufgefordert worden, die Berechnung der Zahlungen transparenter zu machen. Kritiker wie Sozialsenatorin Bluhm werfen der schwarz-gelben Koalition nun vor, zwar nachvollziehbarere Zahlen geliefert zu haben – die aber nichts mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun hätten, die auf Hilfe angewiesen sind. Auch Wohlfahrtsverbandschef Schneider kritisiert, dass die im sogenannten Bildungspaket enthaltenen Sachleistungen nicht die bereits bestehenden Strukturen in den Ländern und Kommunen berücksichtigen. So will die Bundesregierung beispielsweise Hartz-IV-Empfängern einen Zuschuss von bis zu zwei Euro zahlen, damit sie nur noch etwa einen Euro pro Tag für das Schulessen ausgeben müssen.

Vielen Eltern in Berlin würde das allerdings kaum etwas bringen, denn die Mittagsmahlzeit wird erheblich vom Land subventioniert. Hortkinder sowie die Kinder in gebundenen Ganztagsgrundschulen entrichten nur eine Pauschale von 23 Euro pro Monat für das Mittagessen. Zudem gibt es hier einen Härtefallfonds für Kinder, deren Eltern kurzzeitig nichts zahlen können. Wenn der Bund jetzt Geld für ein Mittagessen gibt, würde das Land seine Subventionen zurückziehen, hieß es aus der Sozialverwaltung. Es steht zu befürchten, dass dies auch für das ebenfalls vom Land gezahlte Geld für Schulmaterial gilt, das die Bundesregierung künftig mit 100 Euro im Schuljahr subventionieren will. Und der geplante Zuschuss für Sport und Kultur mit einem Jahresbeitrag bis zu 120 Euro könnte dazu führen, dass der jetzt im „Berlinpass“ ermöglichte freie oder kostenlose Eintritt in Vereine und Sportstätten in Berlin wegfällt.

Eine neue Klagewelle erwartet das Berliner Sozialgericht, das im Sommer die 100 000. Klage gegen Hartz IV angenommen hat, wie Gerichtssprecher Marcus Howe sagt: „Jeden Monat kommen Tausende hinzu und es werden jetzt sicher noch mehr werden.“

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