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Neukölln: Parteien streiten über Pro Deutschland

Die Gründungsversammlung von Pro Deutschland entzweit die Parteien in Neukölln. „Aus Sicherheitsgründen“ hatten die Rathausmitarbeiter ihre Arbeitsplätze für die Versammlung bereits am Nachmittag räumen müssen.

Über der Haupttreppe zum Neuköllner Rathaus klebt ein Plakat, ein Verbotsschild ist darauf zu sehen. Hinter dem dicken roten Balken steht ein Playmobilmännchen mit Hitlerbärtchen. Rund um den Platz an der Karl-Marx-Straße stehen am Freitagabend etwa 250 Demonstranten, die Fahnen der Linken und der Grünen flattern. „Heute schon die Pogrome von morgen stoppen“, ist auf einem Plakat zu lesen. „Nazis rauauaus“, dröhnt es aus den Lautsprechern – so klingt der „Abgesang auf Pro Deutschland“, zu dem das Bündnis „Rechtspopulismus stoppen“ eingeladen hatte. Selahattin Alkan hat seine drei Söhne mit zur Kundgebung genommen. „Pro Deutschland will dahin kommen, wo viele Ausländer leben und sie provozieren“, sagt der 48-Jährige Neuköllner. Er wolle seinen Kindern bewusst machen, dass sie niemals mit Gewalt auf rechte Gewalt antworten sollen.

Im Tagungsraum der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wollte die rechtspopulistische Partei Pro Deutschland ihren ersten Berliner Kreisverband gründen. Die meisten Neuköllner waren aber ausgesperrt. Rathausmitarbeiter mussten ihre Arbeitsplätze bereits um 14 Uhr „aus Sicherheitsgründen“ räumen. Am Abend riegelten 250 Polizisten das Rathaus quasi ab. „Ist das nicht schön, ein ganzer Rathausplatz für Nazis“, raunte eine Demonstrantin ihrem Begleiter zu.

Die BVV-Abgeordneten der Linken, die für den Zeitraum der Veranstaltung eine außerplanmäßige Fraktionssitzung anberaumt hatten, mussten das Gebäude durch einen Nebeneingang an der Erkstraße betreten. „Unser Fraktionsraum ist direkt neben der Treppe zum großen Saal, aber alle Zugänge sind mit Ketten verschlossen, und überall sind Polizisten“, sagte Fraktionsmitglied Gülaysan Karaaslan. „Pro Deutschland wird wirklich sehr gut geschützt vom Staat.“ Die Grünen hatten eine solche Sitzung bereits in der vergangenen Woche abgesagt und SPD-Bürgermeister Hein Buschkowsky via Pressemitteilung vorgeworfen, vor den Rechtspopulisten „eingeknickt“ zu sein. Diese hatten sich in die Räumlichkeiten des Bezirksamts eingeklagt.

Doch auch die Mitglieder von Pro Deutschland nahmen am Ende nicht den Haupteingang, Lars Seidensticker, der Bundesgeschäftsführer, wachte am Tor des „Lieferanteneingangs“, wie er sagte, um jedem Sympathisanten persönlich die Hand zu schütteln. Polizisten säumten den Weg durchs Treppenhaus des Rathauses. Mit zwanzig Minuten Verspätung bestieg schließlich Pro Deutschland-Chef Manfred Rouhs das Podium, rund 35 Teilnehmer waren gekommen, mehrheitlich Männer über 50. Auch Gary Beuth und Andreas Graudin aus dem Berliner Landesvorstand sind erschienen, außerdem Jan Sturm, NPD-Bezirksverordneter in Neukölln. Mit zwölf abgegebenen Stimmen – nur wer im Bezirk gemeldet ist, hat Stimmrecht – wählten die Mitglieder ihre Kandidaten für fünf Neuköllner Wahlkreise für die Wahl zum Abgeordnetenhaus.

Die Demonstranten rollten derweil die Plakate ihres friedlichen Protests zusammen. Das Playmobilmännchen grüßte: „Berlin gegen Rassisten“ stand über seinem Kopf. Sophie Crocoll/Johannes Schneider

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