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Protest von Verdi: Angst vor S-Bahn-Effekt

Lange Wartezeiten für Bürger, wenig Kinderschutz: Verdi warnt vor weiteren Einsparungen in den Berliner Bezirken.

Von Sandra Dassler

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat vor dramatischen Auswirkungen der Sparpolitik in den Bezirken gewarnt. „Die Politik des abgemagerten Staates muss ein Ende haben“, sagte der Landesfachbereichsleiter Gemeinden Werner Roepke am Donnerstag: „In den Bezirken wurden seit 2001 rund 18 000 Stellen abgebaut, das ist ein Minus von 42 Prozent.“

Die Gewerkschaft befürchte einen „S-Bahn-Effekt“, sagte Roepke. Seit Jahren werde auf Verschleiß gefahren, das mache sich sowohl im höheren Krankenstand der Beschäftigten, als inzwischen auch in vielen Bereichen für den Bürger bemerkbar. So müssten beispielsweise die Einwohner von Reinickendorf im Bürgeramt Wartezeiten bis zu acht Stunden hinnehmen. Immer mehr Jugendeinrichtungen und Bibliotheken würden geschlossen, die Gesundheits- und Lebensmittelaufsichtsämter könnten notwendige Kontrollen beispielsweise in Sachen „Ekelfleisch“ längst nicht mehr im erforderlichen Ausmaß gewährleisten.

Roepke wandte sich direkt an die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), die in den kommenden Wochen die Haushalte beraten. „Sie können es eigentlich nicht verantworten, mit solchen Einsparungen die Haushalte zu beschließen“, sagte er: „Ich wünsche mir deshalb, dass sie es nicht tun.“

Ganz so weit will die Grünen-Politikerin Sibyll Klotz nicht gehen. Allerdings bezeichnet auch sie die Situation als eigentlich unannehmbar. „Ich kann ja nicht einmal mehr meine gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen“, sagt die Bezirksstadträtin für Gesundheit und Soziales in Tempelhof-Schöneberg: „Wir müssten nach der neuen Kinderschutzverordnung Hausbesuche bei allen Erstgeborenen machen. Wir schaffen das gerade mal bei 60 Prozent, in anderen Bezirken sieht es noch viel schlimmer aus.“

Von den Einsparungen betroffen ist laut Verdi neben den Bereichen Grünflächen und Gartenbau vor allem der Kinder- und Jugendschutz. Berlin sei das einzige Bundesland, das in diesem Bereich spare, beklagt die Dienstleistungsgewerkschaft. So wolle der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg alle Jugend- und Freizeiteinrichtungen mit mehr als 50 Mitarbeitern an freie Träger abgeben. Dass die dortige Bezirksverordnetenversammlung bereits jetzt beschlossen habe, tatsächlich keinen Haushalt zu verabschieden, wurde gestern von der BVV-Vorsteherin dementiert. „Nächste Woche beginnen ja erst die Beratungen“, sagte sie. Sandra Dassler

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