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Rot-Rot: Senat setzt auf den Bundesrat – bewegt aber wenig

Rot-Rot hat in dieser Legislaturperiode bereits 40 Initiativen im Bundesrat gestartet. Nach Ansicht der Opposition will die Regierung damit von eigenen Schwächen ablenken.

So oft wie wohl kaum eine Berliner Landesregierung zuvor hat sich der rot-rote Senat in letzter Zeit mit politischen Initiativen an den Bundesrat gewandt – und lenkt damit nach Ansicht der Opposition von eigenen Unzulänglichkeiten ab.

Fast 20 Mal hat der Senat alleine in diesem Jahr Gesetzentwürfe oder Entschließungsanträge in der Länderkammer eingebracht, vom Appell an den Bundespräsidenten, den 8. Mai als Tag der Befreiung zum nationalen Gedenktag zu machen bis hin zum – erfolglosen – Einspruch gegen Bundeskürzungen bei der Städtebauförderung. Das geht aus einer aktuellen Aufstellung der Senatskanzlei hervor. Insgesamt hat die Hauptstadt in der laufenden Legislaturperiode schon jetzt, ein dreiviertel Jahr vor der Wahl des Abgeordnetenhauses, fast 40 Bundesratsinitiativen gestartet – deutlich mehr als in der gesamten Legislaturperiode zuvor, in der es nur 27 waren. Aus früheren Zeiten liegen keine Vergleichszahlen vor.

„In letzter Zeit brennt es besonders oft politisch“, sagt Monika Helbig, Bevollmächtigte beim Bund in der Senatskanzlei von Klaus Wowereit (SPD) und als solche für die Bundesratsinitiativen zuständig. Für sie ist die Zunahme von Berliner Vorstößen in der Länderkammer eine Reaktion auf den seit Beginn der schwarz- gelben Koalition Ende 2009 zunehmenden „politischen Gegenwind“ vom Bund. Wegen fehlender Mehrheiten der sogenannten A-Länder mit SPD-Regierungsmehrheit sind sie allerdings fast alle zum Scheitern verurteilt. Die meisten Initiativen sind eher symbolisch: „Zu konkretem politischem Handeln führt das nur in Ausnahmefällen“, sagt Helbig. Stattdessen dienten die Entwürfe und Anträge „der politischen Standortbestimmung – oder sie sollen die anderen vorführen“.

Wenn Berlin sich schon gegenüber dem Bund und den anderen Ländern nicht durchsetzen könne, „kann man zumindest öffentlich sagen, wir haben eine andere Position“, sagt Helbig. Das Themenspektrum ist breit: Neben einem – vertagten – Gesetzentwurf zum Verbraucherschutz bei Telefonwerbung und dem ebenfalls vertagten Gesetzentwurf zur Sicherung bezahlbarer Mieten findet sich unter den Berliner Initiativen dieses Jahres auch der Entwurf einer Entschließung gegen den Import von Produkten aus Kinderarbeit.

Aus Sicht der Opposition lenkt der Senat mit dem in letzter Zeit kräftig gewachsenen Engagement im Bundesrat von eigenen Unzulänglichkeiten ab – oder er mischt sich in Sachen ein, bei denen Berlin als Land nicht mitzureden hat. „Drei Viertel der Initiativen sollen die bundespolitische Gegenposition der SPD unterstützen – von der Atompolitik bis zur Organhaftung bei Kreditinstituten“, kritisiert Uwe Goetze, Haushaltspolitiker und Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Zum Teil seien die Anliegen inhaltlich sinnvoll – „aber sie haben oft nichts mit Berlin zu tun“. Sie seien Ablenkungsmanöver von der eigenen Verantwortung.

So hätte der Senat nach Ansicht von Goetze mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Patientenrechte verbessern können – stattdessen gab es auch hierzu eine Bundesratsinitiative. Angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes, das befürchtet der CDU-Mann, dürfte die Zahl der Berliner Bundesratsinitiativen weiter zunehmen: „Da wird es etliche Ablenkungsmanöver wie jüngst den Vorstoß zur Mietenproblematik geben, die keine Lösung bringen, aber sich gut im Wahlkampf benutzen lassen.“ Der Senat versuche, bei eigenen gescheiterten Projekten wie jüngst auch beim nach langer Debatte zu den Akten gelegten Entwurf eines Berliner Klimaschutzgesetzes „den Schwarzen Peter abzuschieben“.

Eine der wenigen erfolgreichen Initiativen in der langen Reihe Berliner Vorstöße ringt auch dem Oppositionspolitiker Goetze Anerkennung ab: Die Länderkammer stimmte Ende November einem Gesetzentwurf Berlins zu, der den Sozialhilfeträgern schärfere Kontrollen bei sozialen Einrichtungen ermöglichen soll. Anlass der Gesetzesinitiative war die „Maserati-Affäre“ um die Berliner Treberhilfe. Um wirksam zu werden, bedarf der Gesetzentwurf noch einer Zustimmung des Bundestages. Diese Initiative bekam immerhin – und das ist eine Premiere – die Zustimmung aller 16 Länder im Bundesrat. Allerdings bezweifelt die CDU auch hier, ob es dieser Initiative wirklich bedurft hätte. „Mehr Kontrolle wäre auch nach der jetzigen Gesetzeslage schon möglich gewesen“, sagt Uwe Goetze.

Auch bei der Abgeordnetenhaussitzung am heutigen Donnerstag steht wieder eine Bundesratsinitiative auf dem Programm, die von den Regierungsfraktionen unterstützt wird, diesmal zur Sonntagsöffnung von Bibliotheken. Der Vorstoß kommt in diesem Fall aber nicht aus Berlin, die rot-rote Koalition unterstützt lediglich eine Initiative anderer Länder.

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