zum Hauptinhalt
243754_3_xio-fcmsimage-20081207212813-006000-493c31dd70a90.heprodimagesfotos83120081208dc-12053.jpeg

© ddp

Rot-roter Krach: Das verflixte 7. Jahr der Berliner Koalition

Die rot-rote Regierungskoalition hat sich wegen der Reform der Erbschaftssteuer verkracht. Klaus Wowereit hat im Bundesrat mit "ja" gestimmt, obwohl die Linke dagegen war. Wie ernst sind die Drohungen, das seit 2002 regierende Bündnis von SPD und Linker zu beenden?

Bei der letzten größeren Krise der rot-roten Koalition vor einem halben Jahr griff SPD-Chef Michael Müller zu einem Bild aus der Physik: „Reibung erzeugt nun mal Hitze“, sagt er damals, als sich SPD und Linke um den EU-Vertrag und einige sozialpolitische Konfliktthemen stritten. In den vergangenen Tagen ist die Betriebstemperatur des Bündnisses mal wieder kräftig angestiegen. Wäre die Koalition ein Mensch, könnte man bei ihr wohl ein leichtes Fieber diagnostizieren.

Die Hitze ist diesmal auf das von Klaus Wowereit verfügte Abstimmungsverhalten im Bundesrat zurückzuführen. Berlin hatte, wie berichtet, am Freitag für das umstrittene Erbschaftssteuergesetz gestimmt und damit die Ablehnung der Berliner Linken ignoriert – ein Bruch des rot-roten Koalitionsvertrages, der eine Enthaltung vorgesehen hätte.

Das provozierte beim Linken-Parteitag am Wochenende viel lautstarke Entrüstung und aus dem Munde des Bundestags-Fraktionschefs Gregor Gysi gar die Drohung: Noch so ein Ding, und die Linke müsse die Koalition beenden.

Wie ernst die Krise wirklich ist? Ob es sich angesichts des Superwahljahres 2009 nicht doch eher um eine beiden Seiten nicht unrechte Vorlage zur Profilierung vor der jeweiligen Basis handelt?

Zumindest ist auffallend, dass Gysis Drohung des Koalitionsbruchs bei der Berliner Linken-Führung nicht gerade auf Begeisterung stieß. „Das ist nicht der Vorfall, an dem man die Koalition scheitern lässt“, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner am Rande des Parteitags. Und Parteichef Klaus Lederer geißelte zwar Wowereits Agieren als „nicht akzeptabel“, stellte aber ganz bewusst nicht die Koalition als Ganzes in Frage.

Aus der SPD war gestern zu hören, dass man die öffentlich Erregung bei der Linken als „Aufmuskeln“ einschätzt, nicht als nachhaltigen Konflikt. Damit dürfte sich der Streit einreihen in die Reihe von manchmal lautstarken aber nie wirklich destruktiven Konflikten, die nach Meinung beider Partner dazugehören, wenn zwei miteinander regieren, die die meiste Zeit „geräuschlos und vertrauensvoll“ (SPD-Chef Müller) kooperieren – und die daher umso mehr hin und wieder das Bedürfnis haben, zu zeigen, dass sie nicht alles mit sich machen lassen.

Bei der bislang letzten größeren rot-roten Verstimmung im Mai diesen Jahres ging es ebenfalls um das Abstimmungsverhalten Berlins im Bundesrat, damals über den EU-Reformvertrag. Auch damals war die Linke dagegen und pochte unter Berufung auf den Koalitionsvertrag darauf, dass die Landesregierung sich zu enthalten habe. Nach langem Hin und Her enthielt sich Wowereit tatsächlich – warf aber danach der Linken vor, „unter dem Diktat ihres Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine“ zu stehen. Gehe das so weiter, sei die Koalition „ernsthaft gefährdet“. Mit dem aktuellen Konflikt steht es in Sachen angedrohte Koalitionsbrüche zwischen SPD und Linken also jetzt 1:1.

Das Besondere an den beiden Konflikten ist, dass es mehr um die Form des gemeinsamen Umgangs als um den Inhalt geht. Immer wieder sind SPD und Linke in ihren bislang knapp sieben Regierungsjahren aneinandergeraten, haben über Themen wie den öffentlichen Dienst, das Kita-Volksbegehren oder die Gemeinschaftsschule gestritten. Da ging es aber immer um Sachfragen, die man inhaltlich klärte, wie beide Seiten betonen. Im aktuellen Fall hingegen liegen SPD und Linke inhaltlich eigentlich gar nicht so weit auseinander: Beide finden die Erbschaftssteuer in der beschlossenen Form nicht ausreichend, wollten aber das Gesetz nicht generell blockieren – auch,weil es dreistellige Millioneneinbußen für Berlin nach sich gezogen hätte.

Und jetzt? Nach klärenden Gesprächen wird die Koalition zur Regierungsroutine zurückkehren, ist auf beiden Seiten zu hören. Bis zum nächsten Mal. Das Wahljahr hat ja gerade erst begonnen.

Zur Startseite