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© ddp

Senat: Wowereit soll wieder regieren

Als neuer SPD-Vize hat der Landeschef Gewicht gewonnen in der Bundespartei. Auch zu Hause in Berlin wünschen die Genossen, dass er mehr Macht zeigt.

Voller Abwechslung ist das Politikerleben: Bundespolitisch gilt Klaus Wowereit nun als Genosse mit Gewicht: Stellvertretender Parteivorsitzender der SPD, auf dem Dresdner Parteitag von 89,6 Prozent der Delegierten gewählt – das zweitbeste Ergebnis der vier neuen Vizes.

In der Landespolitik aber steht es schlecht um Wowereit: Nach dem Berliner Desaster-Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl, nach Wowereits harscher Kritik an den Genossen Bundespolitikern von Steinmeier bis Steinbrück führte der Regierende Bürgermeister zu Hause jüngst vor, dass sein rot-rotes Projekt enorm schwächelt. Zwei Stimmen fehlten Wowereits Kandidatin für das Präsidium des Landesrechnungshofs, Hella Dunger-Löper, am Donnerstag für eine Mehrheit. Das sitzt vielen Sozialdemokraten in den Knochen.

Und Wowereit? Der Bundes- und der Landes-Wowereit passen scheinbar nicht zusammen: Der neue SPD-Vize soll in der Partei an der Reform der Hartz-Reformen mitwirken und an der Entwicklung eines Programms, das der SPD hilft, Millionen Wähler zurückzugewinnen. Das versprechen sich linke Sozialdemokraten von Wowereits Arbeit im Parteivorstand: Konzepte gegen das, was viele Leute als Umverteilung wahrnehmen, als ungerechte Entwicklung von Armut und Reichtum.

Unbestritten hätten die Hartz-Reformen dazu beigetragen, dass mehr Beschäftigung entstanden sei, sagt ein Berliner Parteilinker. Aber so sei auch mehr prekäre Beschäftigung, mehr Leiharbeit, mehr Arbeit für Geringverdiener entstanden. Das müsse ein Thema für Wowereit werden – eines, das hilft, in Berlin wieder mehr Zustimmung zu gewinnen. „Wir müssen uns noch stärker darum kümmern, die soziale Spaltung dieser Stadt aufzuhalten“, sagt der Abgeordnete Frank Zimmermann.

Ausgerechnet in Berlin tut sich die SPD schwer mit Armut, Arbeit und Sozialem. Wowereit macht als Regierender Bürgermeister der Hartz-IV-Hauptstadt wenig Eindruck. Rot-Rot II läuft unrund. Die SPD hat sich von den Linken das Projekt Integrationsschule aufdrängen lassen – das darf kosten. Dafür handelte sie sich Ärger um das „Schülerlotto“ ein, das wochenlang im Mittelpunkt der Debatte um die nächste Schulreform stand.

Es klingt fast selbstironisch, wenn kluge SPD-Politiker sagen, „einzelne Fehler“ hätten wohl zu dem miesen Abschneiden der Berliner SPD bei der Bundestagswahl beigetragen. Die Fehler-Liste enthält die Affäre um die Grundstücksvergabe an den Golfclub Wannsee, das Schülerlotto als Auswahlverfahren an begehrten Gymnasien, den parteiinternen Streit um die Verlängerung der Autobahn 100, die Startprobleme bei der Nachnutzung für den Flughafen Tempelhof, sogar das S-Bahn-Chaos.

Auch wenn Bahn-Manager für das S-Bahn-Chaos zuständig sind, fällt Ärger mit der Infrastruktur immer auf die regierenden Politiker zurück. Wowereit überließ das Management des S-Bahn-Ärgers zwar seiner Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer – doch auch das nehmen ihm jetzt manche in der SPD durchaus übel: Der Regierende habe sich lange zu wenig um die Stadt gekümmert, er habe alle größeren Aufgaben seinen Fachsenatoren überlassen – das gehe so nicht weiter. Mag der Bundes-Wowereit gerade heute Grund zum Stolz haben – zu Hause grollen ihm gerade manche, auf die er sich verlassen können muss.

Den Fall Dunger-Löper müssen man als „Warnzeichen durchaus ernst nehmen“, heißt es in der SPD-Fraktion. Wieder zwei Stimmen, sagen sich die Sozialdemokraten, genau wie zu Beginn von Wowereits zweiter Amtszeit 2006, als er zwei Wahlgänge brauchte, um wieder regieren zu dürfen. Man habe vorgeführt, dass man in einer geheimen Abstimmung keine Mehrheit habe. Nun müsse man sich „verdammt anstrengen“, sagt ein Abgeordneter aus dem linken Spektrum. „Wir müssen jetzt die nächsten anderthalb Jahre nutzen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“, sagt der Abgeordnete Fritz Felgentreu, der eher zum rechten Flügel der SPD gehört.

Offenbar gibt es einen Knacks im Verhältnis zwischen Wowereit und der SPD-Fraktion, manche sagen sogar: zwischen Wowereit, dem SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller einerseits und der SPD-Fraktion andererseits. Müller, der Wowereit den Ärger vom Hals und den Rücken frei hält, Wowereit, der sich für die Bundes-SPD interessiert, aber nicht für die Armut in der Stadt oder für die Integration. Oder für eine Schulpolitik, die vielen Eltern nicht sofort gefällt. Der Regierende und die SPD könnten gemeinsam gewinnen, wenn Wowereit sich inhaltlich für eine stadtpolitische Angelegenheit stark mache, heißt es.

Wowereit behaupte gern zu wissen, wie „die Stadt tickt“, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen. Tatsächlich wisse er das aber nur von einer ganz bestimmten Szene, die mit Kultur, Kreativität, Nachtleben und metropolenhaftem Lebensstil zu tun hat. Wie Eltern mit Kindern, einfache Arbeitnehmer und die normalen Leute mit den breiten Steuerzahler-Schultern tickten, wisse Wowereit aber womöglich nicht, ist zu hören.

Sach- und Fachengagement werde erwartet, um Vertrauen zurückzugewinnen, heißt es nun in der Fraktion. Das aber hat Wowereit lange vermieden; er regierte nach der Devise: Der Ministerpräsident eines Landes kümmert sich nicht um fachpolitische Details, jedenfalls nicht nach außen.

Wer hätte das gedacht: In der SPD verlangen sie jetzt, dass Wowereit in die sachpolitischen Niederungen der Landes- und Stadtpolitik hinabsteigt und sich einbringt. Er sei noch immer ein großer Sympathieträger und Menschen-Gewinner, sagen auch Kritiker in der SPD. Deshalb rechnen sie in Berlin weiter mit Wowereit – für 2011.

Die Linken bleiben dabei eine Größe, mit der noch lange zu rechnen ist. „Vielleicht in dreißig Jahren“ könne man daran denken, den verlorenen linken Flügel wieder an die SPD zu montieren, meint ein Sozialdemokrat. So muss sich also wenigstens der Koalitionspartner bis auf Weiteres keine Sorgen machen.

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