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Senatsstudie: Privathaushalte sollen das Klima retten

Eine Studie im Auftrag des Senats rechnet vor, wie die Stadt ihre Umweltziele bis 2020 erreichen kann: Besonders Heizenergie muss eingespart werden. Deshalb sind zehntausende Gebäude zu sanieren

Bisher hatte Berlin beim Klimaschutz zwar ein Ziel, aber keinen Plan. Minus 40 Prozent Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 1990, lautete die von Klaus Wowereit 2008 ausgegebene Parole. Das Ziel gilt als ambitioniert; die EU hat sich nur zu 20 Prozent Minderung verpflichtet, Deutschland will jedoch ebenfalls 40 Prozent schaffen. Jetzt haben Experten detailliert beschrieben, was auf die Berliner zukommen soll – im „Energiekonzept 2020“ für den Senat. Dem Tagesspiegel liegt die bisher geheime Studie der Berliner Energieagentur (BEA) im Entwurf vor.

Wichtigste Botschaft: Die privaten Haushalte sollen den größten Beitrag zur CO2-Vermeidung leisten, nämlich 2,6 von 4,7 Millionen Tonnen, die nach aktuellem Stand pro Jahr noch einzusparen sind. Gelingen soll das vor allem durch weniger Heizenergiebedarf; die Autoren der Studie nennen ein Minus von sieben Prozent. Um das zu schaffen, müssen allerdings jährlich rund 10 000 Wohngebäude komplett saniert werden statt bisher 2200. Das bedeutet Milliardeninvestitionen vor allem in Gebäude, die älter als 30 Jahre sind. Das umstrittene Klimaschutzgesetz von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) zielt in dieselbe Richtung. Klar ist, dass die Eigentümer zahlen müssen, aber die Kosten anteilig auf die Mieter umlegen und oft auch Förderprogramme nutzen können. Dazu wird in der Studie die Gründung eines Forums „Energieeffizientes Bauen und Wohnen“ empfohlen, über das Senat, Förderbanken und Verbände Druck auf die Hauseigentümer machen.

Mit den Gebäuden sollen auch die Heizungen erneuert werden. Private Kohleöfen (Anteil aktuell: 4 Prozent) werden ausrangiert, ebenso ein Großteil der Ölheizungen (von 26 auf 14 Prozent). Dafür wird verstärkt mit Gas geheizt (von 38 auf 44 Prozent) – aber anders als bisher. Zum einen wird das fossile Erdgas durch Zusatz von Biogas klimafreundlicher, zum anderen sollen die Heizungen um Tausende Blockheizkraftwerke ergänzt werden. Die sind etwa so groß wie ein Lkw-Motor und erzeugen nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gleichzeitig Wärme und Strom.

Ausgebaut werden soll auch das Netz für Fernwärme (von 30 auf 33 Prozent). Auch die wird klimafreundlicher, wenn Vattenfall wie angekündigt mehrere Kraftwerke erneuert und dabei klimaschädliche Kohle durch Biomasse ersetzt. Die besteht zumeist aus Holzschnitzeln. Zum avisierten Anteil erneuerbarer Heizenergien steuert sie rund die Hälfte bei. Ein weiteres Drittel sollen Wärmepumpen liefern, die die im Winter relativ hohen Bodentemperaturen nutzen. Den Rest liefert Solarthermie, also sonnengewärmtes Wasser. Alle Erneuerbaren zusammen sollen fast 8 Prozent zum Heizbedarf beisteuern – wobei die Ausgangslage mit 0,2 Prozent bescheiden ist.

Außerdem sollen die Berliner Strom sparen und statt zurzeit rund 1000 Kilowattstunden pro Person und Jahr nur noch 850 verbrauchen. Bei den größten Potenzialen verweist die Studie aufs Umweltbundesamt, das strengere Standards für Haushaltsgeräte und die Modernisierung von Stromfressern empfiehlt. Mit anderen Worten: Berlin allein kann kaum mehr tun als aufzuklären. Das wird schon jetzt getan – die „Stromsparcheck“ genannte Energieberatung armer Haushalte durch soziale Träger und Jobcenter soll ausgeweitet werden. Und schließlich soll der Berliner Strom insgesamt grüner werden – dank 18 Prozent Öko-Anteil statt bisher kaum 2 Prozent.

Neben Privatleuten, Immobilienbesitzern und Energieversorgern sind auch das Land sowie die Wirtschaft gefordert. Die öffentliche Hand soll mit 20 Prozent weniger Energie auskommen – durch gedämmte Gebäude, modernere Heizungen und sparsamere Bürotechnik. Um auchGroßverbraucher wie Hotels, Restaurants und Einkaufszentren zum Sparen zu animieren, empfiehlt die Studie den Abschluss von Energiespar-Partnerschaften – etwa mit dem Handelsverband und dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga.

Damit all diese Kraftakte bis zum Jahr 2020 bewältigt werden können, legt das Konzept dem Senat einen straffen Zeitplan nahe: Bis zum Herbst dieses Jahres soll ein Arbeitsplan regeln, wer wofür zuständig ist und woher das Geld kommt. Empfohlen wird die Etablierung einer zentralen Anlaufstelle, die auch die Fortschritte regelmäßig prüft und dem Abgeordnetenhaus berichtet. Als juristischer Hebel gilt das Klimaschutzgesetz, das die Umweltsenatorin noch vor der Sommerpause durch den Senat und anschließend ins Parlament bringen will. Zurzeit liegt es wie das Energiekonzept als Entwurf auf den Schreibtischen der Senatoren.

Als fast unlösbar erwies sich die Prognose für den Verkehr. Zwar enthält das Energieprogramm die klare Forderung, den Straßenverkehr zugunsten der Bahn zu reduzieren, aber beim Flugverkehr blieben Fragen offen. Bildlich gesprochen: Wem ordnet man den CO2-Ausstoß eines Flugzeuges zu, das mit vielen Berlinern an Bord von Schönefeld – also aus Brandenburg – nach Mallorca fliegt? Eine von vielen Fragen, über die sich der Senat nun Gedanken machen muss.

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