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Skandal um Jugendhaftanstalt: Justizsenatorin auf Bewährung

Nach dem Drogenskandal im Jugendgefängnis Plötzensee wächst die Kritik in der rot-roten Koalition an Senatorin Gisela von der Aue. Am Dienstag muss sie zum Rapport bei Klaus Wowereit.

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Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) führt ihr Amt ab sofort auf Bewährung. Auch wenn Sozialdemokraten und Linke die Rücktrittsforderungen von CDU und FDP ablehnen, steht die SPD-Frau nach dem Drogenskandal im Jugendgefängnis Plötzensee unter verschärfter Beobachtung der eigenen Genossen. „Sie hat spät reagiert und die Dinge heruntergespielt“, sagte ein einflussreicher SPD-Mann, der nicht genannt sein will. Von der Aue habe „Kommunikationsdefizite“ und oft keine glückliche Hand.

Heute wird sich der Senat und am Mittwoch der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Justizskandal befassen. Ein anderer SPD-Abgeordneter erinnerte am Montag daran, dass die „Einarbeitungszeit“ für die Justizsenatorin vorbei sei. Klaus Lederer, Landeschef der Linkspartei, riet von der Aue, „mit Problemen offen und öffentlich umzugehen“. Nach einem Krisentreffen der Koalitionsabgeordneten im Rechtsausschuss mit der Senatorin, das gestern stattfand, schlug der SPD-Justizexperte Fritz Felgentreu dennoch moderate Töne an: „Es ist deutlich geworden, dass die Verwaltung das Drogenproblem seit März auf der Pfanne hatte und seitdem eine Reihe von Maßnahmen einleitete.“ Es gebe keinen Hinweis darauf, dass der Drogenschmuggel in Plötzensee in letzter Zeit zugenommen habe. Das hätten regelmäßige Urinproben gezeigt.

Felgentreu schlug vor, mit den Laubenpiepern in unmittelbarer Nachbarschaft der Haftanstalt über eine ausgedehnte Videoüberwachung zu verhandeln, die bisher aus Datenschutzgründen auf die Gefängnismauer beschränkt ist. Senatorin von der Aue machte sich gestern selbst ein Bild von der Videoüberwachung. „Entgegen anderslautender Berichterstattung funktioniert die vorhandene Technik einwandfrei“, teilte die Justizverwaltung anschließend mit. Die Kritik an nicht funktionierenden Kameras bezog sich aber auf die Nachtstunden.

In Plötzensee begann die neue Woche mit massivem Personalmangel: 35 Beamte waren krank gemeldet, nur 149 kamen zu den drei Tagesschichten. Wie ein Personalvertreter sagte, fühlten sich viele Beschäftigte allein gelassen von der Verwaltung. Die Personalknappheit sei so groß, dass Justizbeamte, die allein Dienst haben, einen Häftling als „Helfer“ einsetzten – mit fatalen Konsequenzen. Nach Informationen des Tagesspiegels laufen derzeit Ermittlungsverfahren gegen einen Beamten und eine Beamtin der Jugendstrafanstalt, die weggesehen haben sollen, als ihre „Helfer“ andere Gefangene bedrohten oder schlugen. Eine Bestätigung der Justiz gab es dafür nicht.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hält die Justiz trotzdem für „ausreichend ausgestattet“. Je hundert Gefangene gebe es 53 Personalstellen. „Das ist mehr als im Bundesdurschnitt, und Baden-Württemberg hat zehn Stellen pro hundert Häftlinge weniger“, sagte Sarrazin dem Tagesspiegel. Auch der SPD-Haushaltsexperte Stephan Zackenfels sieht die Probleme in den Haftanstalten „eher im Management als im Personalmangel“. Mit dem Haushalt für 2008/09 werde der Stellenabbau gestoppt und die Haftanstalt in Großbeeren, die ab 2012 Entlastung bringen soll, werde gebaut, auch wenn das 120 bis 140 Millionen Euro kosten werde.

Linkspartei-Chef Lederer forderte allerdings mehr Geld für Sozialarbeiter, und die Vollzugsgemeinschaften mit anderen Bundesländern müssten vorangebracht werden. Dagegen zweifelte der CDU-Abgeordnete Sven Rissmann gestern an der „Funktionstüchtigkeit der Justiz, die dramatisch unterausgestattet ist“. Der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann meinte sogar: „Im rot-roten Senat herrscht das Chaos.“

Derweil hält die Führungskrise in den Haftanstalten an. In der JVA Tegel, die seit April ohne Chef ist, ging gestern auch der kommissarische Leiter Ralph Adam in Urlaub. Damit ist Deutschlands größtes Gefängnis ganz ohne Führung. Dem Vernehmen nach soll sich jetzt der Chef der Jugendstrafanstalt, Marius Fiedler, um den Posten in Tegel beworben haben. Wann der Posten besetzt wird, ist unklar.

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