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Soziales: Trotz Arbeit Hartz IV

Trotz der Erholung des Arbeitsmarkts erhalten Immer mehr Haushalte in Berlin Arbeitslosengeld. Das ist kein Widerspruch: Oft sind die Löhne so gering, dass weitere Hilfe nötig ist.

Die Arbeitslosigkeit in Berlin nimmt ab, trotzdem sind immer mehr Haushalte auf staatliche Unterstützung angewiesen. Seit Beginn des Jahres ist die Erwerbslosenzahl um gut 14 000 gesunken; derzeit sind knapp 265 000 Menschen bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern registriert. Trotzdem ist die Zahl der Haushalte, die Leistungen nach Hartz IV beziehen, gestiegen. Zum Ende des ersten Halbjahres erhielten rund 325 000 Bedarfsgemeinschaften Unterstützung nach Hartz IV, das sind 6000 Haushalte mehr als zum Jahresanfang.

Für Reinhard Müller, Geschäftsführer des Jobcenters Marzahn-Hellersdorf, ist diese Entwicklung kein Widerspruch. Wenn jemand jetzt durch die bessere Konjunktur eine Arbeit finde, bedeute dies noch nicht, dass dieser Job existenzsichernd sei und dadurch der Anspruch auf staatliche Hilfe beendet werde, sagte Müller. Aktuelle Zahlen, wie viele Menschen trotz ihrer Erwerbstätigkeit Arbeitslosengeld II beziehen, gibt es nicht. Diese Daten werden laut Angaben der Regionaldirektion für Arbeit bisher monatlich nicht erfasst. Die letzten Angaben stammen von Oktober letzten Jahres: Damals erhielten 47 500 Menschen weitere Unterstützung, obwohl sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren; davon hatten sogar rund 34 000 Menschen einen Vollzeitjob. Hinzu kamen weitere 35 000 Arbeitnehmer, die einen Minijob haben.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht davon aus, dass die Zahl inzwischen noch höher ist. Man müsse sehen, dass viele Jobs im Gastgewerbe und im Dienstleistungsbereich entstehen, sagte Heiko Glawe vom DGB Berlin-Brandenburg. Dies seien traditionell Branchen im Niedriglohnbereich. Für den DGB bleibt deswegen auf Bundesebene die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von rund 7,50 Euro aktuell. „Wir begrüßen die Bundesratsinitiative von Berlin und Bremen“, sagte Glawe. Laut der Staatssekretärin in der Sozialverwaltung, Kerstin Liebich (Linke), ist Berlin bundesweit die Stadt mit dem höchsten Anteil an prekären Arbeitsverhältnissen, also an Beschäftigung, die nicht den Lebensunterhalt sichert. Die positive Tendenz der anziehenden Konjunktur gehe so an einem Teil der Berliner vorbei, sagte Liebich.

Auch beim Sozialgericht ist das Problem derweil angekommen. Inzwischen muss es sich immer öfter damit beschäftigen, dass ehemals Langzeitarbeitslose weiterhin Unterstützung von den Jobcentern einklagen. Gestritten wird oft darum, in welcher Höhe das neue Einkommen auf die Leistung angerechnet werden muss. Sigrid Kneist

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