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Spandauer Säuglingstod: Streit um Kinderschutz in Berlin

Angesichts des gewaltsamen Todes eines Säuglings in Spandau ist eine neue Debatte um den Kinderschutz entflammt. Während die SPD Kritik an den Behörden zurückweist, sieht ein Kinderschutzverein in der Tragödie einen "berlintypischen Fall".

Die Grünen verweisen ebenfalls auf "Lücken im Netzwerk Kinderschutz" und fordern einheitliche Indikatoren zur Risikoabschätzung. Für Familienpatenschaften plädiert die FDP, da ein Kinderschutz auf Bürgerengagement angewiesen sei und der Staat mit seinen Möglichkeiten an Grenzen stoße. Die CDU hatte der rot-roten Landesregierung bereits am Donnerstag schwere Versäumnisse beim Kinderschutz vorgeworfen.

In Spandau war am Mittwoch ein sieben Wochen alter Säugling nach Misshandlungen gestorben. Eine Mitarbeiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes hatte die Familie eine Woche zuvor aufgesucht. Dabei hatten Kind sowie die Wohnung der Eltern den Angaben zufolge einen "guten Eindruck" gemacht. Die 22-jährigen Eltern des Kindes erhielten unterdessen Haftbefehl.

In Berlin werde "sehenden Auges ignoriert, dass die Jugendhilfe wegen enormer Einsparungen am Ende ist", sagte der Vorsitzende des Vereins Deutsche Kinderhilfe Direkt, Georg Ehrmann. Im jüngsten Fall hätten die Behörden versagt. Wenn das Krankenhaus schon auf Probleme aufmerksam mache, wäre es normal gewesen, dass ein Jungendamt-Mitarbeiter die Mutter bereits in der Klinik aufsuche. Als "grob fahrlässige" bezeichnete der Experte, dass dann beim ersten Besuch einer Sozialarbeiterin kein Vertreter des öffentlichen Gesundheitsdienstes dabei war und das Kind unbekleidet begutachtet habe. Normalerweise hätten Eltern nichts dagegen.

Sozialdemokraten wehren sich gegen Kritik

SPD-Parteichef Michael Müller und der Spandauer Sozialstadtrat Martin Matz (SPD) wiesen Kritik an Behörden und Senat zurück. Der Staat stoße in derartigen Fällen mit seinen Maßnahmen an Grenzen, sagte Müller. Es wäre unfair, den einzelnen Mitarbeitern jetzt Vorwürfe zu machen. "Da kann es - wie überall - auch mal ein Fehlverhalten geben, aber es liegt nicht per se an der Verwaltung, und sie ist in diesen Bereichen auch nicht unterausgestattet."

Zur Kritik an der Spandauer Sozialarbeiterin, die Verletzungen des Kindes nicht bemerkt zu haben, sagte Matz, dass sie nicht dafür ausgebildet sei, das Kind medizinisch zu untersuchen. Zudem sei wichtig, dass die Eltern das Beratungsangebot annehmen. "Wenn aber bei solchen Besuchen die Kinder auch immer untersucht werden würden, müssten wir uns wahrscheinlich damit auseinandersetzen, dass sehr viel seltener die Eltern die Tür überhaupt öffnen", sagte Matz. Zugleich forderte er mehr Personal für diese Aufgaben.

Nach Ansicht der Grünen müsse "dringend geklärt werden", wie bei Hausbesuchen in Risikofällen Misshandlungsspuren entdeckt werden können, auch wenn alles in Ordnung zu sein scheint. Zudem müsse eine engmaschige Betreuung durch Kinderkrankenschwestern des öffentlichen Gesundheitsdienstes gewährleistet sein. (mhz/ddp)

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