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Klaus Wowereit

© dpa

SPD: Zwischen Latte Macchiato und Biertresen

Am Freitag erklärte Klaus Wowereit, wie die SPD Politik für die Großstädte machen muss: Dazu gehören die Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung, aber auch der Klima- und Naturschutz und eine aktive Integrationspolitik.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Sozialdemokratische Politik muss im Café beim Latte Macchiato und gleichzeitig am Biertresen funktionieren.“ Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ist sicher, dass die SPD in einer Großstadt wie Berlin um diesen Spagat nicht herumkommt. Um genügend Wähler zu gewinnen, müssten sowohl jüngere Linksliberale, also kritische Bildungseliten, als auch das „abgehängte Prekariat“ erfolgreich angesprochen werden. Wolle die SPD ihren Anspruch als Volkspartei aufrechterhalten, „müssen wir diese Bandbreite abdecken“, sagte Wowereit auf der Klausurtagung der SPD-Abgeordnetenhausfraktion am Fleesensee in Mecklenburg-Vorpommern. Dies gelte vor allem in den großen Ballungsräumen, in denen über ein Drittel der Deutschen lebten. „Wahlen sind vornehmlich in den Metropolen zu gewinnen – oder zu verlieren.“

Das Erfolgsrezept des Regierenden Bürgermeisters, der seit einem Jahr die Großstadtkommission der Bundes-SPD führt: In den Städten als „Orten des permanenten Wandels“ müsse den Menschen Verlässlichkeit und „ein Zuhause“ geboten werden. Dazu gehöre die Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung, aber auch der Klima- und Naturschutz und eine aktive Integrationspolitik. „Unsere Städte werden bunter, sie sind Einwanderungsstädte.“ Bei der Lösung der damit verbundenen Probleme müsse die SPD alle gesellschaftlichen Schichten mitnehmen, Durchlässigkeit fördern und die Verdrängung sozial schwacher Milieus an den Stadtrand verhindern. „Wir dürfen eine Spaltung der Städte nicht zulassen, die es in vielen europäischen Metropolen längst gibt.“

Der SPD, so behauptete Wowereit am Freitag in seinem Referat zur künftigen Großstadtpolitik seiner Partei, werde der notwendige Wandel in den Ballungsräumen am ehesten zugetraut, „obwohl wir einige große Städte durch falsche Kandidaten oder die eigene Zerrissenheit verloren haben“. Als Bürgermeisterkandidaten seien profilierte Köpfe wichtig, die in der Lage seien, über die Anhänger ihrer eigenen Partei hinaus Wähler an sich zu binden. Wowereit plädierte für einen starken Staat und warnte davor, bei der Bildungspolitik zu sparen, aber er nahm auch die Familien in die Verantwortung. Das alte Grundprinzip, dass Eltern sich alle Mühe geben, den sozialen Aufstieg ihrer Kinder zu unterstützen, „damit es ihnen einmal besser geht“, müsse wieder Geltung erhalten.

„Das war das optimistischste Referat, dass ich seit langem von einem Sozialdemokraten gehört habe“, sagte anschließend der Parteienforscher Franz Walter aus Göttingen. Er vertrat aber die These, dass sich die SPD als Partei der „sozial Aufgestiegenen“ von den Unterschichten, die sie ansprechen wolle, weit entfernt habe. „Es gibt in der Sozialdemokratie eine enorme Identitätsunsicherheit“, sagte Walter. Es fehle der Partei eine ordnende Idee, „ein Sinn, der sie antreibt“. Der demokratische Sozialismus sei das wohl nicht, „den Sozialismus strebt die SPD ja nicht ernsthaft an“. Aber erst wenn man wisse, was man wolle, so Walter, „kann man das Wünschbare machbar machen“.

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