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© Fabian Matzerath/ddp

Stadtentwicklung: Senatorin am Gängelband

In wichtigen Fragen zur Stadtentwicklung nimmt der Regierungschef Senatorin Ingeborg Junge-Reyer nicht mehr ernst. Trotzdem ist nicht viel dran an der Vermutung, die 62-jährige SPD-Frau solle vorzeitig ausgebootet werden.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der frühere Berliner Regierungschef Eberhard Diepgen (CDU) hat einmal erzählt, dass er gern durch die Stadt spaziere, um sich die städtebaulichen Errungenschaften seiner Amtszeit anzuschauen. Jetzt sieht es so aus, als wolle sich auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rechtzeitig ein Denkmal setzen. Oder viele kleine Denkmäler, notfalls gegen den Willen der Parteifreundin und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer.

Der jüngste Streit um die Gestaltung der großen Freifläche zwischen Schlossneubau und Rotem Rathaus legt diese These jedenfalls nahe. Der Vorschlag des Kultur-Staatssekretärs André Schmitz, das Herz der Stadt historisch zu rekonstruieren, wird von Wowereit massiv unterstützt. Gegen den Willen Junge-Reyers, die auf den laufenden städtebaulichen Wettbewerb setzt. Schon im Februar prallten beide Seiten aufeinander, als es um die Frage ging, ob der Lustgarten bis zum Stadtschloss autofrei erweitert werden soll. Bei der schwierigen, aber nachhaltigen Gestaltung der historischen Mitte will der Regierende Kultursenator Wowereit seine Richtlinienkompetenz offenbar entschlossen einsetzen.

Auch im vergangenen Jahr hatte er die Stadtentwicklungssenatorin mehrfach düpiert: Mit seiner Kritik an der Gestaltung des Alexanderplatzes, bei den Planungen zum Humboldthafen oder der Erweiterung des Marie-Elisabeth-Lüders- Hauses. Das ab und zu gestreute Gerücht, Wowereit wolle Junge-Reyer entmachten, bekam aber erst richtig Nahrung, als die Modemesse Bread and Butter auf Initiative und mit dem ausdrücklichen Segen des Regierungschefs einen langfristigen Mietvertrag für den Flughafen Tempelhof bekam. Trotzdem ist nicht viel dran an der Vermutung, die 62-jährige SPD-Frau solle vorzeitig ausgebootet werden. Sie wird dem Senat bis zur Abgeordnetenhauswahl 2011 erhalten bleiben. Verantwortlich für Verkehr und Stadtentwicklung, allerdings nicht ausgestattet mit der enormen Machtfülle ihres Amtsvorgängers Peter Strieder.

Was spricht für das politische Überdauern der Kreuzberger SPD-Linken Junge-Reyer, die in Reinickendorf mit ihrem Mann und Freunden in einer Wohngemeinschaft lebt? Sie ist Verwaltungs-Profi seit den siebziger Jahren, sehr erfahren in Bezirks- und Landesangelegenheiten. Sie ist eloquent, redet stets druckreif und ist in der eigenen Partei bestens vernetzt. Sie hat guten Rückhalt bei der linken Mehrheit und nicht zuletzt bei den SPD-Frauen. Als Strieder 2004 von allen Ämtern zurücktrat, war seine damalige Staatssekretärin Junge-Reyer die geborene Nachfolgerin. Wowereit und der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller zögerten keinen Moment, sie in Amt und Würden zu bringen.

Zunächst hatte die Senatorin einen guten Start und eroberte sich respektable Umfragewerte. Aber dann wurde sie von dem Moloch, der Stadtentwicklungsverwaltung heißt, Schritt um Schritt eingeholt. Eine Behörde mit vielen kleinen Königen und Kurfürsten in den Abteilungen und Referaten, denen schon immer egal war, wer unter ihnen Senator ist. Strieder löste dieses Problem mit den Mitteln eines selbstherrlichen Autokraten. Junge- Reyer schuf sich einen großen Stab aus Vertrauten, vorzugsweise weiblichen Geschlechts. Ein Schutzschild, der mehrere Schwachstellen aufweist. Allen voran die Schweizer Architektin Regula Lüscher, die seit zwei Jahren Senatsbaudirektorin ist. Sie gilt als fachkompetent, aber politisch naiv und koalitionsintern überhaupt nicht verankert. Stets steht sie im Schatten ihres Vorgängers, des wirkungsmächtigen Berliner Städtebau-Gurus Hans Stimmann. Das fällt auch auf ihre Chefin Junge-Reyer zurück. za

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