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Steuerschätzung: Bundespolitik kostet Berlin eine Milliarde Euro

Bei den Steuereinnahmen erwartet Berlin einen leichten Zuwachs, doch hohe Belastung ab 2010. Die sozialen Kosten, etwa für die Grundsicherung, explodieren.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Im Gegensatz zu den anderen Ländern und Gemeinden muss Berlin bis Ende 2010 nicht mit weiteren Steuerausfällen rechnen. Die bundesweite Schätzung, die am heutigen Freitag auf das Land umgerechnet wurde, bestätigte die Haushaltsplanung des Senats. Aus Steuern und Länderfinanzausgleich werden im laufenden Jahr 13,54 Milliarden Euro und 2010 rund 13,05 Milliarden Euro eingenommen. Im Vergleich zur Steuerschätzung im Mai sind das jeweils etwa 30 Millionen Euro mehr.

Dagegen mussten Länder und Kommunen bundesweit Einbußen von 3 Milliarden Euro (2009) und 1,1 Milliarden Euro (2010) hinnehmen. Vor allem bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer brachen weitere Einnahmen weg. In Berlin – mit wenig, aber moderner Industrie und stabilem Dienstleistungssektor – hat sich die Wirtschaftskrise nicht ganz so stark bemerkbar gemacht wie in den klassischen Industrieregionen. Zudem hat Berlin Änderungen im Steuerrecht bereits in der Finanzplanung drin. Andere Länder nicht. Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum nannte es „erfreulich, dass die Steuerentwicklung nicht weiter nach unten gegangen ist“. Er erinnerte aber noch einmal daran, dass die „von der Bundesregierung versprochenen Steuergeschenke“ für Berlin katastrophal seien.

In der Finanzverwaltung wurde dies bereits ausgerechnet. Allein das von Schwarz-Gelb vorbereitete Wachstumsbeschleunigungsgesetz belastet Berlin im nächsten Jahr mit 116 Millionen Euro und 2011 sogar mit 192 Millionen Euro. Und zwar durch die Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag, Entlastungen bei der Erbschaft- und den Unternehmenssteuern und den ermäßigten Steuersatz für Beherbergungsbetriebe. Und wenn die Einkommensteuerreform, die Union und FDP für Anfang 2011 angekündigt haben, tatsächlich kommt, gehen Berlin nach senatsinterner Schätzung weitere 450 bis 700 Millionen Euro jährlich verloren.

Nußbaum ist aber optimistisch, „dass die anderen Länderfinanzminister mit mir diesen Steuerirrsinn verhindern werden“. Auch der Grünen-Haushälter Jochen Esser sieht keinen Spielraum für Steuergeschenke. „Der finanzpolitische Crash-Kurs im Bund muss gestoppt werden.“ Wenn dies im Bundestag und Bundesrat nicht gelinge, stehe die föderale Ordnung vor der Zerreißprobe und Berlins Finanzen wären endgültig ruiniert.

Der Deutsche Städtetag hat schon am Donnerstag gefordert, die Gewerbesteuer als zentrale Einnahmequelle der Kommunen nicht anzutasten und sich beschwert, dass die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben nicht mehr gewährleistet sei. Das gelte besonders für Hilfen für Langzeitarbeitslose, die Kinder- und Jugendhilfe, die Behindertenhilfe und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit. Allein für diese Grundsicherung musste Berlin im vergangenen Jahr 277,6 Millionen Euro ausgeben. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2004 (128 Millionen Euro). Die Zahl der armen Alten und dauerhaft Arbeitsunfähigen, die auf die Grundsicherung als zusätzliche soziale Hilfe angewiesen sind, ist 2008 auf 56 645 gestiegen. Das sind fast drei Mal so viele Fälle wie 2004 – im Jahr nach der bundesweiten Einführung der Grundsicherung.

Der Bund beteiligt sich an dieser Form der Sozialhilfe nicht, die eine zwangsläufige Folge langjähriger Beschäftigungslosigkeit und später Berufseinstiege ist, die wiederum zu Renten weit unter dem Sozialhilfeniveau führen. In Berlin bezogen im Oktober 572 952 Menschen Leistungen nach Hartz IV. Aus dieser großen Bevölkerungsgruppe werden sich die hilfebedürftigen Alten der nächsten Generation rekrutieren.

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