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Rot-Schwarz für Berlin? Die Vorstellung, dass der SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit und sein Kollege Frank Henkel gut zusammenarbeiten könnten, ist gar nicht so abwegig. Beide sind Berliner. Beide sind Aufsteiger. Beide verstellen sich nicht. Und beide sind Lokalpatrioten.

© dapd, Spiekermann-Klaas / Montage: Hoffmann

Szenario zur Berlin-Wahl 2011: Wer hat Angst vor Rot-Schwarz?

Vier Monate vor der Wahl wird in Berlin über mögliche Bündnisse nachgedacht. Doch beim Gedanken an eine klassische große Koalition überkommt viele Genossen noch ein Kälteschauer.

So könnte es kommen, kurz nach dem 18. September: Die SPD ist bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus dank Klaus Wowereit mit 30 Prozent wieder stärkste Partei geworden. Die Grünen haben mit Renate Künast 26 Prozent gewonnen. Jetzt sind sie berauscht und getrieben von der Vorstellung, nach dem Erstürmen der CDU-Bastion Baden-Württemberg auch noch die Hauptstadt zu nehmen: Grün auf dem Weg zur Kanzlerpartei… Dazu brauchen sie aber die CDU. Die hat, unterstützt von ein paar tausend deprimierten FDP-Wählern, immerhin 24 Prozent geholt. Jetzt ist sie selbstverständlich gesprächsbereit: Hauptsache, dabei! Was macht Wowereit? Er will weiter regieren, er will für die Kanzlerschaft 2013 im Gespräch bleiben. Die Linken sind zu schwach geworden, Rot-Rot III wird es nicht geben. Also klingelt das Mobiltelefon des CDU-Frontmanns Frank Henkel schon wieder: „Hallo, Herr Henkel, hier ist die Senatskanzlei, Büro des Regierenden Bürgermeisters. Herr Wowereit hätte Sie gern gesprochen!“

Solche Überlegungen sind den wahlkämpfenden Sozialdemokraten im Zeitalter knapper Mehrheiten nicht fremd. Und doch scheinen zumal überzeugte Linke in der SPD Kälteschauer zu spüren, wenn man sie fragt: „Was wäre so schlimm an einer rot-schwarzen Koalition?“ - „Ne! Also ne!“, sagt ganz erschrocken einer, der den Betrieb seit langem kennt. Dann nennt er zwei Gründe gegen diese Kombination: Die „politische Kultur“ der CDU sei „nicht zu ertragen!“ Und zweitens hätten die neunziger Jahre gezeigt, dass die CDU „schlecht für die Stadt“ sei. Viele der Probleme von heute, so der sonst sehr freundliche und verbindliche SPD-Mann, habe die CDU zu verantworten. Dabei denkt er vor allem an die finanzielle Situation. Das sieht auch ein bürgerlich-rechter Sozialdemokrat wie der Neuköllner Fritz Felgentreu so: Die CDU von damals sei „Gift für die Landesfinanzen“ gewesen.

All das klingt, als sei der große Krach zwischen beiden erst gerade gewesen und nicht vor zehn Jahren. Dabei sind die Helden der CDU, die in den Neunzigern die SPD klein und demütig gehalten haben, längst nicht mehr aktiv. Eberhard Diepgen hat sich auf den Ehrenvorsitz zurückgezogen, Klaus Landowsky besucht allenfalls mal einen Kreisparteitag seines Heimatverbandes. Von der Beton-CDU ist nichts mehr übrig.

Gewiss – CDU-Leute wie Michael Braun aus Steglitz-Zehlendorf oder Robbin Juhnke, der innenpolitische Sprecher aus Neukölln, wirken auf linke Sozialdemokraten wie Relikte aus einer längst vergangenen Zeit, in der die CDU auf „stärkste Kraft“ abonniert war: selbstbewusst, manchmal vielleicht herablassend, zu jedem Streit bereit, oft auch rechthaberisch.

Doch was die missliebige „politische Kultur“ der Union angeht – da gibt es in der CDU auch solche, mit denen die Genossen gut können. Stolz erzählen langjährige CDU-Abgeordnete von freundlichen Gesten führender Sozialdemokraten. Neulich habe er eine durchaus wirtschaftsfreundliche Rede Wowereits gehört, sagt ein CDU-Mann aus dem Süd-Westen. Danach sei Wowereit auf ihn zugekommen, habe gegrinst und bemerkt: „Die Rede müsste Ihnen doch gefallen haben!“

Solche Erlebnisse haben sie in der CDU jetzt ziemlich oft – angeblich. Da mag ein wenig Einbildung dabei sein. In der CDU fühlen sie sich ein wenig wie gut resozialisierte Straftäter: Sie werden wieder ernst genommen. Man spricht mit ihnen. Man gesteht ihnen zu, sich aus der Krise herausgearbeitet zu haben. Sogar der erwähnte linke SPD-Mann mit den Kälteschauern sagt, er finde „den Henkel durchaus sympathisch“. Und ein anderer, eher konservativer SPD-Mann, der im Abgeordnetenhaus gut mit den CDU-Leuten zurechtkommt, schaudert bei dem Gedanken, mit den Grünen „in einen Wettlauf um die Gunst der CDU einzutreten – das mag ich mir nicht vorstellen.“

Dabei ist es keine abwegige Vorstellung, dass Wowereit und Henkel gut miteinander reden könnten. Beide sind Berliner. Beide sind Aufsteiger. Beide verstellen sich nicht. Beide sind Lokalpatrioten. Der eine wird die Macht nicht einfach so an Renate Künast abgeben – aus Prinzip nicht und weil er das Spiel mit der Macht so mag. Der andere wird jede Chance nutzen, um mitzuregieren und seine regenerierte Partei aus der Opposition heraus- zuführen. Und nähme sich die nächste Koalition drei große Projekte vor, hätte sie der noch laufenden, ehrgeizlosen Veranstaltung Rot-Rot II einiges voraus, was das Publikum anerkennen müsste. Leicht einig wären sich beide beispielsweise, dass der Großflughafen BBI wirklich ein Groß- und kein Regionalflughafen werden soll. Wowereit will die A100 – die CDU will sie auch. Die CDU will deutliche Fortschritte in der Integrationspolitik – und in der SPD gibt es Leute, die froh wären, wenn die Sozialdemokratie etwas entschiedener fordern und nicht nur fördern würde.

Mit dem vierten Großprojekt, der Aufstellung von Sparhaushalten, könnten SPD und CDU beweisen, dass es in den kommenden Jahren ohne Klientelpolitik gehen kann. Immerhin, so sagt ein CDU-Mann, der sich mit Finanzen auskennt, wäre die SPD in so einer Koalition ein „regierungserfahrener Partner“. Dazu käme, dass SPD und CDU sich als Kleine- Leute-Parteien verstehen. Beide sehen die Grünen als Innenstadt- und Altbaubewohner-Partei, bevölkert von Leuten, die es sich leisten, im Bioladen einzukaufen. Die Grünen seien anders, sagt ein SPD-Mann, das sei das Milieu der gut verdienenden Mittelschicht. SPD und CDU haben außerdem, anders als die Grünen, große Zeiten als Berlin-Parteien gehabt.

Was also wäre so schlimm an einer rot-schwarzen Koalition? Eine Führungskraft der CDU hadert: Wie würde man „der Basis vermitteln, Steigbügelhalter von Wowereit zu werden?“

Auf der anderen Seite ist die Zuversicht nicht größer. Selbst ein bürgerlicher Sozialdemokrat wie Heinz Buschkowsky, der mit der Integrationspolitik der CDU vermutlich weniger Probleme hat als mit der SPD-Linie, hält Rot-Schwarz für ein Hirngespinst: „Ich glaube, dass die Erfahrungen der 90er Jahre einfach zu frisch sind für einen Neuanfang“, sagt der Neuköllner Bürgermeister. Dann erinnert er an den Bruch der Großen Koalition und den Aufbruch der SPD: „Klaus Wowereit hat die Große Koalition gekillt“. Und seine Partei sei ihm dabei „willig“ gefolgt.

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