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Feinstaubplakette

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Umweltzone: Dicke Luft in rot-roter Koalition

Der Streit um die Umweltzone entzweit nun auch die Koalition. Zudem ruft EU-Kommissar Borg die Berliner dazu auf, "verhältnismäßig" zu bleiben, gerade im Hinblick auf Handel und Tourismus.

Die bevorstehende Einführung der Umweltzone hat Streit in der rot-roten Koalition und Chaosbefürchtungen in Bezirksämtern ausgelöst. Nach Auskunft von Harald Büttner, dem Chef des Straßenamtes vom komplett in der Umweltzone gelegenen Bezirk Mitte, sind stadtweit bislang weniger als 300 Ausnahmegenehmigungen beantragt worden. Angesichts von 120.000 erwarteten Anträgen sagte Büttner: „Wenn alle erst im Dezember kommen, wird es aussichtslos, alles bis zum Jahreswechsel zu bearbeiten.“ Martina Schmiedhofer (Grüne), Umwelt- und Verkehrsstadträtin in Charlottenburg- Wilmersdorf, sagte: „Mir kommt das alles komisch vor.“ Entweder man habe die Zahl der Anträge viel zu hoch geschätzt oder es stehe Chaos bevor. Mit Blick auf andere Städte, die die Einführung von Umweltzonen verschoben haben, sagte Schmiedhofer: „Das könnte daran liegen, dass dort Planer und Ausführer identisch sind.“ In Berlin hat der Senat die Regeln geplant, die von den Bezirken jetzt umgesetzt werden.

Mit den ersten Bescheiden zeigen sich nach Ansicht der Industrie- und Handelskammer die Unzulänglichkeiten der Ausnahmeregelungen. IHK-Verkehrsexperte schildert beispielhaft den Antrag eines Rohrreinigungsbetriebes, der drei Fahrzeuge hat, die dank neuester Abgastechnik die auch über 2010 hinaus gültige grüne Plakette erhalten. Fünf weitere erhalten die gelbe Plakette, die die Fahrt durch die Umweltzone bis Ende 2009 erlaubt. Der Ausnahmeantrag für den einzigen nicht normgerechten Lastwagen wurde abgelehnt.

„Hier wird also jemand bestraft, weil sein Fuhrpark größtenteils relativ gut ist“

Das ist nach der vom Senat beschlossenen „Quotenregelung“ für Fuhrparks auch korrekt, weil laut dieser erst ab einer Zahl von vier zu schmutzigen Lkw eine Ausnahme gemacht werden darf. „Hier wird also jemand bestraft, weil sein Fuhrpark größtenteils relativ gut ist“, folgert Stock. Als weiteren Fall nennt er das Unternehmen Haru-Reisen, dessen teils erst Anfang 2006 angeschaffte Busse ab 2010 nicht mehr in die City dürfen, weil sie mit der – damals besten erhältlichen – Abgastechnik nur die gelben Plaketten erhalten. Die IHK will betroffene Mitglieder juristisch beraten. Kfz-Gewerbe-Innung und der Automobilclub ADAC haben bereits Musterklagen für typische Fälle angekündigt.

SPD-Fraktionschef Michael Müller warf Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) in einem Zeitungsinterview gestern mangelhafte Unterstützung der Unternehmen vor: „Der Wirtschaftssenator tut so, als ob er mit dem Thema Umweltzone nichts zu tun hätte.“ Wolf zeigte sich verwundert über den Vorwurf: Müller begegne ihm jeden Dienstag bei der Senatssitzung – und habe sich dort nie in diesem Sinne geäußert. „Wenn es Probleme gibt, dann werden wir uns darum kümmern“, hieß es aus Wolfs Verwaltung. Am Nachmittag bekannte sich auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vor dem Abgeordnetenhaus zur Einführung der Umweltzone zum Jahresbeginn 2008.

EU-Kommissar kritisiert Berliner Konzept

Die Europäische Kommission vermisst einem Zeitungsbericht zufolge in dem Berliner Konzept zur Umweltzone wichtige Details. Das berichtet die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf einen Brief des EU-Kommissars Joe Borg an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Demzufolge sei vor allem im Hinblick auf Berlin-Touristen offen, "wie Bürger und Unternehmen anderer Mitgliedsstaaten über die Verkehrsbeschränkungen und/oder die Kennzeichnungspflicht in Kenntnis gesetzt werden". Auch ist Borg zufolge bislang nichts dazu gesagt, "mit welchen Mitteln sich die Fahrer von im Ausland registrierten Fahrzeugen auf einfache Weise die erforderliche Plakette besorgen können".

Zudem erwarte der EU-Kommissar, dass sich die Umweltzone "insbesondere auf die Wirtschaftsteilnehmer, vor allem kleine und mittlere Unternehmen auswirken" werde. Er erinnerte die deutschen Behörden daran, die vorgesehenen Maßnahmen verhältnismäßig zu gestalten und den "Handel nicht stärker als notwendig" zu beschränken. (mit ddp)

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