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Im Untersuchungsausschuss der Howoge sind Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin und Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer als Zeugen geladen.

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Untersuchungsausschuss: SPD-Duell um die Wahrheit in der Howoge-Affäre

Bausenatorin Junge-Reyer und Ex-Finanzsenator Sarrazin sind als Zeugen in den Untersuchungsausschuss zur Howoge geladen. Ein Dokument belegt, dass früh über Direktvergaben diskutiert wurde.

Zum „Showdown“ haben viele Obmänner des Untersuchungsausschusses Howoge die Sitzung an diesem Freitag bereits erklärt. Zwei wichtige Hauptdarsteller treffen aufeinander: Der Ex-Finanzsenator und ehemalige Bundesbanker Thilo Sarrazin sowie die amtierende Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer sollen erklären, wie es zu den mutmaßlich illegalen Auftragsvergaben durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge kommen konnte, die sie kontrollieren sollten. Und obwohl beide Sozialdemokraten sind, wird Parteiräson an diesem Tag wohl keine Rolle spielen.

Denn der Ex-Senator und die amtierende Senatorin haben sich festgelegt. Und ihre gegensätzliche Positionen prallen aufeinander: Sarrazin hat in einem Brief erklärt, er habe von den Direktvergaben von Planungsaufträgen gewusst. Das eigenwillige Howoge-Vorgehen habe er sogar begrüßt – denn es habe die Planungskosten der Firma gesenkt. Senatorin Junge-Reyer sagt dagegen, sie habe alle Wohnungsbaugesellschaften dazu verpflichtet, Aufträge öffentlich auszuschreiben, bei größeren Summen sogar europaweit. Sie habe nichts davon gewusst, dass sich die Howoge nicht daran hielt. Doch nun sind brisante senatsinterne Unterlagen aufgetaucht, die Fragen aufwerfen.

Ex-Senator Sarrazin sagt, Direktvergaben seien immer schon bekannt gewesen.
Ex-Senator Sarrazin sagt, Direktvergaben seien immer schon bekannt gewesen.

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In dem Dokument, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird bereits vor fünf Jahren die „Abschaffung der öffentlichen Vergaben“ und ein „Übergang zur beschränkten Ausschreibung mit freihändiger Vergabe“ gefordert. Die Unterlage kommt aus den Akten der Senatsverwaltung für Finanzen, die zur Vorbereitung des „Gesellschaftergesprächs“ zwischen den beiden Senatoren und den beiden Howoge-Geschäftsführern diente. Das Papier, das nicht unterschrieben wurde, ist deshalb so brisant, weil Junge-Reyer bisher stets erklärt hatte, keine Kenntnis von den Direktvergaben gehabt zu haben, die hier gefordert werden. Die Senatorin war jedoch bei dem Gesellschaftergespräch im Jahr 2006 anwesend, zu deren Vorbereitung der Finanzverwaltung das Dokument diente, das als Anlage 6 bezeichnet wird. Und „in Abstimmung mit Frau Senatorin Junge-Reyer“ hatte der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin zu diesem Termin eingeladen. In dessen Einladungsschreiben heißt es weiter, das „Thema Baukostencontrolling“ werde erörtert, dazu zählen die Auftragsvergaben.

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hieß es auf Anfrage, die Senatorin äußere sich vor der Ausschusssitzung nicht. Aber: „Die Anlage 6 war nicht Bestandteil der Vorbereitung des Gesellschaftergesprächs.“ Thilo Sarrazin war am Donnerstag nicht zu erreichen.

Senatorin Junge-Reyer sagt, sie habe von der Vergabepraxis nichts gewusst.
Senatorin Junge-Reyer sagt, sie habe von der Vergabepraxis nichts gewusst.

© Kai-Uwe Heinrich

Können zwei Fachsenatoren so unterschiedlich über die Vorgänge bei der Wohnungsbaugesellschaft informiert gewesen sein, die sie kontrollierten? In der Opposition ist von „sozialdemokratischem Filz“ die Rede. Denn zu den größten Nutznießern der ohne Ausschreibung vergebenen Planungsaufträge zählte das Ingenieurbüro des früheren SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg. Auch die beiden früheren Howoge-Chefs sind Sozialdemokraten, ebenso wie die Senatoren, die sie kontrollierten. Hillenberg zog sich aus der SPD-Fraktion zurück. Die Howoge-Chefs wurden freigestellt.

Denn die Wirtschaftsprüfer Deloitte & Touche haben in ihrem Gutachten zu den Direktvergaben klargestellt, dass die Howoge-eigene Praxis nicht „stabil gegen Einflussnahmen der Bieterbevorzugung“ sei, weil die Leistungen in den umstrittenen Fällen nicht ausgeschrieben und auch keine Vergleichsangebote eingeholt worden seien.

Allerdings war diese Auffassung lange Zeit verwaltungsintern durchaus umstritten. Auch dies geht aus den senatsinternen Unterlagen hervor: In einem Bericht für den Finanz- und Grundstücksausschuss aus dem Jahr 2004 wird die „Fragestellung“ aufgeworfen, „ob so umfangreich ausgeschrieben werden muss wie bisher“. Zwar würden einige Experten „Wohnungsbauunternehmen als öffentliche Auftraggeber ansehen“, mit der Pflicht, Aufträge auszuschreiben. „Andererseits hat hierzu der Europäische Gerichtshof eine andere Auffassung“, schreiben die Experten.

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