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© dpa-Zentralbild

Untersuchungsausschuss Spreedreieck: Thilo Sarrazins Auftritt beim Berliner "Karneval"

Der frühere Finanzsenator Thilo Sarazzin erklärte im Untersuchungsausschuss Spreedreieck publikumswirksam, warum Generäle nicht im Schützengraben stehen.

Fernsehkameras und Fotografen, ein Dutzend Reporter – wenn Thilo Sarrazin kommt, ist ihm sein Publikum sicher. Dabei war es sein dritter Auftritt vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Affäre um den Verkauf des landeseigenen Grundstücks Spreedreieck. Unbeirrt und scharfzüngig beantwortete der frühere Finanzsenator die Fragen zu seiner Verantwortung für den kuriosen Verkauf des Baulandes, das Berlin keinen Ertrag sondern Millionenverluste bescherte. Ein Skandal? „Auch wenn zehn Anwälte anderer Meinung gewesen wären, ich hätte es trotzdem so gemacht.“

Aber was hat Sarrazin in seiner Zeit als Finanzsenator in den Jahren 2002 bis 2009 zur Affäre beigetragen? Er hat einen Vergleich aushandeln lassen, der dem Investor Harm Müller-Spreer an der Friedrichstraße 5800 Quadratmeter mehr Baufläche bescherte als geplant – und über acht Millionen Euro Schadensersatz. „Das natürliche Rechtsempfinden war voll auf der Seite des Investors“, so Sarrazin. Deshalb habe er sich gegen einen Rechtsstreit und für diesen Vergleich entschieden. Auch wenn er diesen selbst nicht ausgehandelt habe, denn „ein General geht nicht in den Schützengraben“.

Dennoch steht Sarrazin zu dem Deal seiner Männer und sogar zu seinem Vorgänger. Dabei hatte ein Christdemokrat, Peter Kurth, den für den Berliner Haushalt so kostspieligen Grundstückskaufvertrag mit Müller-Spreer abgeschlossen.

Um den Schaden gering zu halten, setzte sich Sarrazin bei seinem früheren Arbeitgeber persönlich für das Land ein. Dem Bahnbeauftragten für Berlin „habe ich bei einem Bier gesagt: Was macht ihr denn da für einen Quatsch?“. Die Ansprache nutzte nichts: Die Bahn wollte nicht auf die Entschädigungsansprüche für ihr Teilgrundstück verzichten, das das Land einfach mitverkauft hatte. Schon gar nicht wollte die Bahn Betrieb und Wartung der S-Bahn im Tunnel unter dem Bauland aufgeben – und forderte die Eintragung dieser Rechte ins Grundbuch.

Bekanntlich waren diese vom Land nicht frühzeitig mit Bahn und Investor geklärten Fragen der Hebel, mit dem der Käufer immer neue Forderungen durchdrücken konnte – auf Kosten des Steuerzahlers. Für die Oppositionsfraktionen ist es ein Fehler, dass Sarrazin vor dem Einstieg in die Verhandlungen nicht wenigstens ein Gutachten über die Chancen Berlins im Falle eines Prozesses einholte. Aber „die Wahrheit ist nicht entscheidend, sondern die Prognose, was ein Gericht tun wird“, findet Sarrazin. Die Prognose habe er selbst „statistisch“ ermittelt: „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ wäre Berlin vor Gericht unterlegen.

Um 10 Uhr 39 kam es zum Eklat, die Sitzung wurde unterbrochen. Ausgelöst hatte ihn der Eingriff des Ausschussvorsitzenden Andreas Köhler (SPD) in die Vernehmung Sarrazins durch Florian Graf (CDU). Zeuge Sarrazin musste den Raum bis zur Schlichtung des Streits verlassen. Er fühlte sich an alte Zeiten erinnert: „Ich hatte ganz vergessen, wie der Karneval hier so abläuft.“ Ralf Schönball

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