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Verkehr: Ratlos in die Umweltzone

Die Berliner Bezirke fürchten Musterklagen gegen Strafzettel – und wollen deshalb in Sachen Umweltzone nur informieren statt kassieren. Auch das Personal für Kontrollen fehlt.

Die Bezirke sehen sich außer Stande, die Umweltzone ab Januar angemessen zu kontrollieren. Neben dem Personalmangel sei es nach aktueller Rechtslage so gut wie chancenlos, Verstöße gegen die Plakettenpflicht gerichtsfest zu ahnden, resümierte der Charlottenburg-Wilmersdorfer Ordnungsstadtrat Marc Schulte (SPD) nach einer Sitzung mit Kollegen aus anderen Bezirken. Die Stadträte sehen nach Auskunft von Schulte die Gefahr, „dass wir in Musterprozessen auf die Nase fallen“.

Der Grund liegt demnach in der Bundesverordnung, die schon mehrfach nachgebessert werden musste. Schulte sieht Lücken im „Tatbestandskatalog“, die speziell den ruhenden Verkehr betreffen: Was passiert, wenn die Ordnungsbeamten einem geparkten Auto ohne Plakette ein Knöllchen verpassen und der Fahrer dagegen protestiert mit dem Hinweis, sein Auto habe schon vor dem Jahreswechsel an jener Stelle geparkt? Kann ein Autofahrer bestraft werden, der behauptet, er sei immer nur im Gebiet innerhalb des S-Bahn-Rings unterwegs – und deshalb noch nie an einem der neuen Umweltzonenschilder vorbeigekommen?

Solche Fragen wollen die Stadträte geklärt wissen, bevor sie ihre Ordnungsbeamten auf Plakettenstreife schicken. Immerhin soll die Software nach Auskunft von Schulte bis Januar in der Lage sein, neben Falschparkern auch Plakettensünder zu erfassen. Schon jetzt würden die Mitarbeiter geschult, um Plaketten und Ausnahmegenehmigungen sicher zu deuten. Und zu den Rechtsfragen ist für Montag ein Gespräch mit Polizeipräsident und Senatsverwaltung angesetzt. Dabei soll es auch um Kulanzfragen gehen – damit nicht die Polizei bei einer Verkehrskontrolle ein Auge zudrückt, aber anschließend das Ordnungsamt dem geparkten Auto einen Strafzettel über 40 Euro verpasst.

Besondere Sorge gilt dabei den Touristen, für die die Plakette ebenfalls Pflicht ist. Sonderregelungen haben nach Ansicht der Bezirksstadträte keine Chance, zumal die Kontrolleure kaum zwischen Firmen- und Privatfahrzeugen unterscheiden könnten. Den Bezirken wäre es nach Auskunft von Schulte ohnehin am liebsten, wenn sie vorerst nicht kassieren, sondern zunächst nur Hinweiszettel verteilen würden. Ein entsprechendes Papier ist demnach in Arbeit – aber vom Senat bisher gar nicht vorgesehen.

Nachdem am Dienstag das Europäische Parlament den Städten in der EU eine dreijährige Schonfrist für die Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte zugestanden hat, erneuerten Wirtschaftsverbände, ADAC und die CDU-Fraktion ihre Kritik an den Senatsplänen, die Umweltzone mit Fahrverboten pünktlich zum Jahreswechsel einzuführen. Für Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) dagegen bleibt es bei dem Termin: Ein Rückzieher „würde nicht nur der Gesundheit der Berlinerinnen und Berlinern schaden, sondern auch die Chance zur Verlängerung der Frist für die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte bei der EU gefährden“, erklärte sie. Das Risiko, bei erneuten Überschreitungen von der EU verklagt zu werden, würde sogar zunehmen. Die Gnadenfrist der EU soll nur für die Städte gelten, die das Feinstaubproblem bereits aktiv bekämpfen. Stefan Jacobs

Weitere Infos online:

www.berlin.de/umweltzone

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