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Verkehrsrichter Fahlenkamp: "Es gibt auf beiden Seiten Bösewichter"

Verkehrsrichter Peter Fahlenkamp sprach mit dem Tagesspiegel über Aggression und Abhilfe im Straßenverkehr.

Wer sind denn nun die Guten: Radler, Autofahrer – oder stets die Gruppe, zu der man jeweils selbst gehört?

Letzteres. Wir haben unangenehme und aggressive Verkehrsteilnehmer auf beiden Seiten. Ich habe Rad- und Autofahrer verurteilen müssen, Männer und Frauen. Auch eine Radfahrerin, die von einem Autofahrer angesprochen wurde und daraufhin zuschlug, bis der Autofahrer k.o. auf der Straße lag. Und eine Autofahrerin, die ihr Auto in der Reichsstraße quer auf dem Radweg geparkt hat. Ein Arzt kam vorbei, beschwerte sich. Die Frau schrie ihn an, schlug zu. Es kam zu einem Ringkampf auf der Motorhaube. Die Autofahrerin habe ich wegen Körperverletzung verurteilt und ihr den Führerschein weggenommen. Beim schlimmsten Fall, den ich je erlebt habe, hat ein Autofahrer eine Radfahrerin in Moabit bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Fazit: Es gibt auf beiden Seiten Bösewichter, die die Beherrschung verlieren.

Warum tun sich viele so schwer mit der Rücksichtnahme?

Die Leute haben Schwierigkeiten, sich in die Rolle des anderen zu versetzen. Ich sage nur: Empathie.

Ist die Rechthaberei typisch deutsch?

Damit ist man zwar schnell bei der Hand, aber vielleicht ist es so. Wir meinen ja immer, im Recht zu sein. Schlimmstenfalls wollen wir das mit Fäusten durchsetzen. Viele glauben, eine Anzeige bringt nichts, also kümmern sie sich selbst. Das kann mit einem Kopfschütteln beginnen. Dann droht der Autofahrer mit dem Zeigefinger, der Radler steckt die Zunge raus, der Autofahrer erwidert etwas durchs offene Fenster, wird vom Radfahrer angespuckt, steigt aus, es kommt zum Kampf.

Wie beruhigt man Hitzköpfe?

Zum Beispiel, indem man ruft: „Ich habe alles gesehen, seien Sie vorsichtig!“ Oder man sagt den Leuten, dass sie an ihren Führerschein denken sollen. Also warnen, nicht provozieren. Und als Frau: um Hilfe schreien. Das wirkt sofort.

Und wie beruhigt man sich selbst, wenn man vor Wut zu platzen droht oder von Rachegefühlen geplagt wird?

Ich höre im Auto immer Mozart. Das stimmt mich so nachsichtig und fröhlich, dass ich immer nachgebe.

Als Radfahrer darf ich aber unterwegs nicht Mozart hören.

Da pfeife ich die ,Kleine Nachtmusik‘. Notfalls kann der Gedanke daran helfen, dass die Führerscheinbehörde auch Radfahrern im äußersten Fall die Fahrerlaubnis wegnehmen kann – etwa bei Unfallflucht oder Trunkenheit. Und Schlägern.

Das Gespräch führte Stefan Jacobs.

Peter Fahlenkamp (71) war von 1980 bis 1999 Verkehrsstrafrichter am Amtsgericht Tiergarten – und profilierte sich seit Ende der 80er Jahre durch Strenge gegen Gewalttäter.

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