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Volksbegehren: Die Unterschriften, bitte!

Pro Reli wirbt für das Volksbegehren in der U-Bahn und spricht Fahrgäste an – doch sollen Initiativen das dürfen? Ein Pro & Contra

Im Endspurt waren sie auch mit der BVG unterwegs. Unterstützer der Initiative Pro Reli sammelten in den vergangenen Tagen in U-Bahnhöfen und Zügen Unterschriften für das angestrebte Volksbegehren. Die BVG hatte es ihnen erlaubt – und dieser Einsatz lohnte sich offenbar.

„Viele Sympathisanten“, heißt es, „trugen sich dort noch in Listen ein.“ Sie halfen mit, dass Pro Reli mehr als 170 000 Unterschriften für das Volksbegehren und den nun bevorstehenden Volksentscheid über ein Wahlpflichtfach Ethik/Religion zusammenbekam. Andere wollen folgen. So kündigt nun bereits die nächste Initiative für das Volksbegehren gegen das Rauchverbot in Lokalen an: „Auch wir wollen bei der BVG sammeln.“ Doch der Einsatz der Initiativen im Öffentlichen Nahverkehr ist umstritten. Züge und Bahnhöfe müssten „neutrale Orte“ bleiben, sagen Kritiker.

Initiativen dürfen aktiv Unterschriften sammeln

Als die Befürworter eines Weiterbetriebes des Flughafens Tempelhof 2007 für ihr Volksbegehren warben, war die Unterschriftensammlung noch streng geregelt: Ihre Listen durften nur in Bürgerämtern und Rathäusern ausliegen. Doch Anfang 2008 schaffte das Abgeordnetenhaus diese Vorschrift ab. Seither dürfen Initiativen für ein Volksbegehren auch selbst Unterschriften sammeln. Ausgefüllte Listen reichen sie danach beim Landeswahlleiter ein, der alle Signaturen auf ihre Gültigkeit hin überprüfen lässt. Folglich schwärmten die Unterstützer von Pro Reli in die ganze Stadt aus und planten genau, wo sie am schnellsten die meisten Signaturen ergattern könnten. Der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) ist eine solche Plattform. Hier konnten sie viele Menschen zugleich ansprechen.

Allerdings musste Pro Reli sich dies von der BVG genehmigen lassen, denn die Beförderungsbedingungen untersagen so gut wie alles, was nicht dem „Verkehrszweck“ dient. Danach dürfen Fahrgäste in Bussen und Bahnen „nicht handeln, Druckschriften verteilen, betteln, sammeln, werben“ oder Shows zum Gelderwerb vorführen. Die BVG gestattet aber Ausnahmen, zumal die Beförderungsbedingungen für den ganzen Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) gelten. „Im Rahmen des Hausrechts bleibt uns eine gewisse Entscheidungsfreiheit“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Deshalb dürften die Obdachlosen ihre Zeitung in U-Bahnen verkaufen oder Musiker auf Antrag in Bahnhöfen spielen. Auch bei Pro Reli reagierten die Verkehrsbetriebe großzügig, weil das Thema Ethik- oder Religionsunterricht quer durch die Familien diskutiert werde und alle Fahrgäste angehe.

Auch andere Gruppen wollen in Bahnhöfen um Unterstützer werben

Außerdem seien Volksabstimmungen „legitime Instrumente der demokratischen Meinungsbildung“, argumentiert die BVG. „Da geht es nicht um Parteipolitik.“ Gleichwohl sei die Erlaubnis für Pro Reli keine allgemeine Genehmigung für weitere Initiativen. „Ein Rechtsanspruch lässt sich daraus nicht ableiten.“

Gesammelt wurde auch in der S-Bahn, obwohl die gar nicht die Erlaubnis erteilt hatte. „Bei uns ging keine Anfrage ein“, hieß es. Die BVG will in jedem Einzelfall neu entscheiden – und auch einen möglichen Antrag der Gegner des Rauchverbots in der Gastronomie genau prüfen.

Aus Sicht des Geschäftsführers der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler, ist die BVG allerdings „auf dem Holzweg, wenn sie meint, weitere Einzelfallentscheidungen durchhalten zu können.“ Die Frage, „ob gesellschaftliche Debatten in öffentlichen Verkehrsmitteln ausgetragen werden dürfen“, könne man nur generell lösen. „Wer Ja oder Nein sagt, muss danach konsequent bleiben.“ Andernfalls drohe Willkür. „Wer setzt bei der BVG die Maßstäbe, wer nimmt sich das Recht dazu heraus?“, fragt Gaebler.

Körting lehnt Sammelaktionen im öffentlichen Nahverkehr ab

Die SPD spricht sich ebenso wie ihr Innensenator Ehrhart Körting gegen das Sammeln im ÖPNV aus. Sie befürchtet „eine Materialschlacht, wenn den Werbern Tür und Tor geöffnet werden.“ Es gelte, die Fahrgäste davor zu schützen. Auf Bahnhöfen und in Zügen sei man den Unterschriftensammlern ausgesetzt. „Selbst, wenn diese Taktgefühl haben, fühlen sich viele Menschen bedrängt.“

Die CDU hingegen pocht wie die Verkehrsbetriebe auf den „verfassungsrechtlichen Bezug“ des Volksbegehrens. Es gehöre zum Gesetzgebungsverfahren – und die Aktivitäten drumherum folglich auch in die U-Bahn.

Diesen Streit verfolgen nun auch gespannt die Verkehrsbetriebe der Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Auch dort gibt es Volksbegehren, aber bislang kam keine Initiative auf die Idee, in Zügen zu sammeln. „Gott sei Dank“, sagt die Sprecherin der Hamburger Hochbahn. „Dann hätten wir ein kompliziertes Problem.“

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