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Uneinig. Kultursenator Klaus Lederer (Linke), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

© Paul Zinken/dpa

Landesrechnungshof Berlin: Streit um die Neubesetzung der Rechnungshofführung

Die Koalition ist sich uneinig, wer die Führung in Zukunft übernehmen soll. In einer Krisenrunde soll nun der Konflikt beigelegt werden.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Wahl einer neuen Präsidentin des Landesrechnungshofs Berlin belastet die Koalition. Am Donnerstag wollen sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), seine Stellvertreter Klaus Lederer (Linke) und Ramona Pop (Grüne) mit den Chefs der drei Regierungsfraktionen treffen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Denn die SPD-Politikerin Karin Klingen, die aus dem vorbereitenden Auswahlverfahren des Senats als Siegerin hervorging, stößt bei Linken und Grünen auf Vorbehalte. Aber auch in der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses sind manche Genossen nicht glücklich über den Personalvorschlag.

Das hat auch damit zu tun, dass die Bewerberin für die Leitung des Berliner Rechnungshofs seit vielen Jahren aktiv Parteipolitik betreibt. Zuerst in Sachsen-Anhalt, als erfolglose Bundestagskandidatin und Mitbegründerin der „Magdeburger Plattform“, einer Abspaltung der SPD-Linken im Bund. Nach dem Umzug in die Hauptstadt mischte Klingen im SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf mit und war auch Landesparteitagsdelegierte. Außerdem arbeitet die Sozialdemokratin in der Senatskanzlei, als Abteilungsleiterin zuständig für Zentrale Dienste, Grundsatzplanung und Verwaltungsmodernisierung, in enger Anbindung an den Regierungschef Müller.

Die Präsidentin des Landesrechnungshofs, so hört man aus den Koalitionsfraktionen, sollte aber möglichst verwaltungsfern und politisch unabhängig sein, auch wenn ein Parteibuch nicht grundsätzlich ein Hinderungsgrund sein dürfte. Hinzu kommt, dass einige Abgeordnete sich beklagen, in der Zusammenarbeit mit Klingen nicht nur gute Erfahrungen gemacht zu haben. Es geht sogar das Gerücht um, dass der Regierende Bürgermeister die Genossin Abteilungsleiterin – aus welchen Gründen auch immer – aus der Senatskanzlei wegloben will.

War Klingen in die "McKinsey-Affäre" verwickelt?

Laut Berliner Verfassung ist der Rechnungshof eine „unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene“ Landesbehörde, deren Mitglieder in richterlicher Unabhängigkeit die Haushalts- und Finanzpolitik der öffentlichen Hand kontrollieren. Angesichts dieser Anforderungen werden koalitionsintern auch Bedenken laut, dass eine mögliche Präsidentin Klingen den Landeshaushalt begutachten soll, den sie in ihrer bisherigen Funktion für die Senatskanzlei mit erarbeitet hat.

Zarte Hinweise gibt es aus Koalitionskreisen auch, dass die Abteilungsleiterin Klingen vor zwei Jahren als direkte Untergebene des damaligen Senatskanzleichefs Björn Böhning an einem höchst umstrittenen Beratervertrag zum Flüchtlingsmanagement mitgewirkt hatte. Für diesen Vorgang war ihre Abteilung fachlich zuständig und bei der parlamentarischen Anhörung im April 2016 zur „McKinsey-Affäre“ saß Klingen gemeinsam mit Böhning auf der Zeugenbank. In allen Unterlagen der Senatskanzlei an das Abgeordnetenhaus zu diesem Fall wird die Spitzenbeamtin namentlich im Briefkopf geführt. Gegen Böhning ermittelt die Staatsanwaltschaft in Sachen McKinsey seit eineinhalb Jahren wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung bzw. Vorteilsannahme.

Trotz alledem wird bei SPD, Linken und Grünen nicht bezweifelt, dass das beamtenrechtlich vorgegebene Auswahlverfahren für das präsidiale Amt formal korrekt verlaufen ist. Laut Stellenausschreibung vom 25. Januar wird ein abgeschlossenes Hochschulstudium gefordert, außerdem langjährige Leitungserfahrung, Führungs- und Entscheidungskompetenz, Unabhängigkeit und hohe Kooperations- und Integrationsfähigkeit, Souveränität und konzeptionelles Denken, Kommunikationsvermögen, Überzeugungskraft und eine moderne Mitarbeiterführung. Nur Beamte sind zugelassen.

Die absolute Mehrheit ist notwendig

Die Stelle ist mit der Besoldungsgruppe B8 (monatlich 9916 Euro brutto) gut dotiert. Würde Klingen Präsidentin, könnte sie sich über einen Gehaltssprung von 1940 Euro freuen. Ausgeschrieben wurde die Stelle übrigens vom Referat ZS 1 (Personal und Justiziariat) in der Senatskanzlei. Ein Referat, das zur Abteilung von Karin Klingen gehört. Es war offenbar ein Auswahlverfahren der kurzen Wege, denn der Senat muss auf Vorlage des Regierenden Bürgermeisters einen Personalvorschlag beschließen. Das war am Dienstag noch nicht möglich, weil Linke und Grüne in der Kabinettssitzung Bedenken anmeldeten und sich im Vorfeld nicht einbezogen fühlten.

Man einigte sich deshalb auf eine kleine Krisenrunde am Donnerstag. Dort soll möglichst geklärt werden, ob alle drei Koalitionsfraktionen geschlossen an einem Strang ziehen. Denn die Präsidentin des Rechnungshofes wird vom Landesparlament in geheimer Abstimmung gewählt, das birgt Risiken. Notwendig ist die absolute Mehrheit. Die Oppositionsfraktionen CDU, FDP und AfD lehnen die Kandidatin Klingen ab. Aus Kreisen der Linken und Grünen verlautet, dass die Fraktionsspitzen keinen Druck auf Bedenkenträger in den eigenen Reihen ausüben wollen. „Wir prügeln das nicht durch“, war zu hören. Auch bei den Sozialdemokraten gibt es Kritik am Auswahlverfahren. Es könnte noch eine Weile dauern, bis sich Rot-Rot-Grün einig ist.

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