zum Hauptinhalt
Direkt vor ihren Fenstern in Küche und Bad wurde ein Neubau errichtet.

© Doris Spiekermann-Klaas

Landgericht ordnet scharfe Sicherheitskontrollen an: Mietstreit um Calvinstraße spitzt sich zu

Kampf gegen Trillerpfeifen und Flugblätter: Beim nächsten Verhandlungstag im Streit um die Calvinstraße sollen nun strengere Sicherheitsmaßnahmen Störungen verhindern. Die Besucher sollen sich dafür einer "körperlichen Untersuchung" unterziehen.

Zwei Tage vor dem mit Spannung erwarteten neuen Verhandlungstag im Streit um die Calvinstraße übte ein Rechtsanwalt von Mietern des Wohnhauses scharfe Kritik an einer „Sicherheitsverfügung“ des Gerichts: von „Vorkehrungen wie in Stammheim“ sprach Christoph Müller. Wie berichtet verfügte die Vorsitzende Richterin, dass Besucher der Verhandlung sich einer „körperlichen Untersuchung“ zu unterziehen haben, um das Verbot von „Wurfgegenständen“, „Flugblättern“, „Trillerpfeifen“ und einem Dutzend anderer ähnlicher Objekte in dem Sitzungssaal durchzusetzen.

Hintergrund der bei Zivilstreitigkeiten unüblichen Maßnahme könnte die Störung einer Veranstaltung vor Vermieter-Lobbyisten, an der die Vorsitzende Richterin der 63. Zivilkammer des Landgerichts teilgenommen hatte, durch Aktivisten sein. Möglicherweise befürchtet die Richterin ähnliche Vorkommnisse am Freitag. Dabei waren zuvor schon ein halbes Dutzend anderer Verhandlungstage im Fall Calvinstraße ungestört abgelaufen. Die Calvinstraße ist durch die Bilder von zugemauerten Fenstern in Küche und Bad von Mietern zu einem Sinnbild für die zunehmend scharf geführten Auseinandersetzungen auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt geworden.

Das wichtige Urteil zur Mauer vor dem Küchenfenster fällte ein "Kollegium"

Am Montag hatte der Präsident des Landgerichts Bernd Pickel bei einem Gespräch mit Pressevertretern versucht, Gerüchte zu entkräften, wonach die Vorsitzende Richterin wegen ihrer Vorträge und Veröffentlichungen für Vermieter-Verbände befangen sein könnte. Ein entsprechender Antrag, die Richterin deshalb vom Verfahren Calvinstraße abzuziehen, war gescheitert.

Auch hatte nicht sie eine wichtige Entscheidung in der Sache, dass die Mauer vor den Fenstern bleibt, getroffen, sondern drei andere Richter. Auch sei die Fokussierung auf die Richterin falsch, da Urteile stets von „einem Kollegium“ gefällt würden. Die Mauer baute der Vermieter auf dem ihm gehörenden Nachbargrundstück. Die Genehmigung dafür hatte er, obwohl die vorschriftsmäßige Abstandsfläche von 2,50 Metern zwischen Bauten nicht eingehalten ist.

Die umstrittene Vorsitzende Richterin verfasste in diesem Jahr das „Editorial“ von zwei der bisher 20 Ausgaben des Fachblatts „Das Grundeigentum“. Chefredakteur Dieter Blümmel, der zugleich Sprecher des Verbandes Haus und Grund ist, sagte: „So wird 2013“ sei einer der „humoristischen“ Beiträge gewesen. Auch ein „Mieterhoroskop“ und ein „Vermieterhoroskop“ habe die Richterin für das Blatt verfasst. Sie führe außerdem mit einem Kollegen vier Mal jährlich Fortbildungsveranstaltungen zum Mietrecht vor Hausverwaltern und Anwälten durch im Auftrag des Verlags. „Es ist gang und gäbe, dass Richter sich in Fortbildungsveranstaltungen engagieren“, so Blümmel. Ziel der Teilnehmer sei es, Klarheit über Tendenzen der Rechtsprechung zu erhalten – „dass die Richter deshalb vermieterfreundlich urteilen, ist abwegig“.

Der Chef des Mietervereins Reiner Wild nannte die Sicherheitsvorkehrungen „ganz ungewöhnlich“. Der Argwohn im Streit um die Calvinstraße rühre vor allem daher, dass die Rechtsprechung des Landgerichts gegen Mietminderungen im Falle von Baulückenschließungen „ungewöhnlich“ sei.

Zur Startseite