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Berlin: Landtag bei Krampnitz-Verkauf getäuscht

Finanz-Affäre weitet sich aus: Thylander-Gruppe war nicht der Käufer der Landesimmobilie /Staatsanwaltschaft prüft Akten

Potsdam - Die Finanz-Affäre weitet sich aus. Das Land Brandenburg wurde beim Verkauf der 112 Hektar großen Kaserne in Potsdam-Krampnitz unter dem Ex-Finanzminister und heutigen Innenminister Rainer Speer (SPD) offenbar getäuscht. An die renommierte dänische Thylander-Gruppe, die Speer 2007 dem Landtag als Investor vorgestellt hatte, wurde die Immobilie nicht veräußert. Das hat das Finanzministerium am Dienstag bestätigt. Wer tatsächlich hinter den Käufern steht, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft untersucht jetzt die Akten des Finanzministeriums zu Krampnitz und zum Verkauf der brandenburgischen Bodengesellschaft BBG, um die Aufnahme von Ermittlungen zu prüfen. Die privatisierte BBG hatte auch den Verkauf der Krampnitzer Kaserne eingefädelt und die Verträge entworfen. Noch am Vortag hatte SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärt, dass er durch beide Vorgänge keinen Schaden für das Land erkennen kann.

Um so brisanter ist die neue Wendung, durch die sich die Opposition aus CDU, FDP und Grünen in dem angekündigten Untersuchungsausschuss erst Recht bestätigt sieht. Laut Finanzministerium hatte die Thylander-Gruppe zwar Interesse an der Immobilie bekundet und am 31. Mai 2007 in einem Schreiben an die BBG erklärt, dass der Kauf durch eine TG Potsdam, „ein Unternehmen der Thylander-Gruppe, Dänemark“ erfolgt. Doch bei den Nachprüfungen, so das Ministerium heute, „konnte noch kein gesellschaftsrechtlicher Bezug zwischen der Thylander- Gruppe und der TG Potsdam ... festgestellt werden“. Handelsregisterauszüge zu den tatsächlichen Käufern waren bei dem Millionen-Geschäft vom Finanzministerium nicht eingeholt worden. Für Grünen-Fraktionschef Axel Vogel handelten Brandenburgs damals Verantwortliche mindestens blauäugig: „Nicht-Profis sind von Profis über den Tisch gezogen worden.“ Speer selbst reagierte überrascht. Als er die Vorlage 2007 zum Verkauf der Immobilie in den Landtag einbrachte, sei er aufgrund von Unterlagen des Ministeriums und nach einem „persönlichen Gespräch“ mit Lars Thylander fest vom Verkauf an eine Thylander-Gesellschaft ausgegangen. Er räumte ein: „Ich habe das nicht hinterfragt.“ Er habe damals auch keinen Anlass dafür gesehen. Hinter Käufer-Gesellschaften der Immobilie steht der Rechtsanwalt Ingolf Böx aus Hannover. Er betreibt eine gemeinsame Kanzlei mit dem brandenburgischen SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert, der jede Beteiligung an dem Krampnitz-Deal bestreitet.

Der Verkauf der Immobilie ist schon wegen des Kaufpreises, der gewährten langen Realisierungszeit bis 2023 und der geringen Investitionsverpflichtung von fünf Millionen Euro umstritten. Zudem wurde der bereits seit 2008 fällige 4,1-Millionen-Euro-Gesamtkaufpreis noch nicht der Landeskasse überwiesen. Stattdessen überwies das Land im März 2010 rund 740 000 Euro der 1,3-Millionen-Anzahlung an den klammen Investor zurück, im Gegenzug für zwei zurückgenommene Teilflächen.

Kein Ministerium im Land stand seit 1990 so oft im Zentrum von Affären wie das Finanzressort. Untersuchungsausschüsse gab es etwa zu Fehlspekulationen in Schönefeld, zur Pleite der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) und zuletzt zur Enteignungsaffäre um die sittenwidrige Landnahme von tausenden Bodenreform-Grundstücken durch das Land. Der Abschlussbericht des Landtages hatte dafür das Eigenleben des Apparates im Finanzministerium verantwortlich gemacht. Damals hatte sich die Staatsanwaltschaft direkt im Finanzministerium einquartiert, nach der Prüfung aber keine Ermittlungen aufgenommen. (mit axf)

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