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November 2011: Nach Ermittlungen um einen missglückten Banküberfall in Arnstadt und ein explodiertes Wohnhaus in Zwickau sieht sich die Bundesrepublik erstmals seit der Wiedervereinigung mit rechtsextremem Terror in größerem Ausmaß konfrontiert. Schnell ist die Rede vom Jenaer Neonazi-Trio um Beate Z. (36), Uwe B. (34) und Uwe M. (38). Ihre Spur lässt sich bis in die 90er Jahre zurückverfolgen.

© dapd

Landtag Brandenburg: Opposition will NSU-Untersuchungsausschuss in Brandenburg

Die CDU-Fraktion und die Grünen im Brandenburger Landtag wollen einen Antrag für einen NSU-Untersuchungsausschuss stellen. Ende April sollen die Parlamentarier darüber abstimmen.

Der Landtag Brandenburg wird die Verwicklungen des Verfassungsschutzes in die NSU-Mordserie sowie den Umgang mit V-Männern in der Neonazi- Szene in einem Untersuchungsausschuss aufklären. Die Oppositionsfraktionen CDU und Grüne werden dazu einen entsprechenden Antrag stellen.

Den will die rot-rote Regierungskoalition aus SPD und Linke mittragen und am Untersuchungsauftrag mitarbeiten. Auch die Freien Wähler signalisierten Zustimmung, ebenso die rechtspopulistische AfD. Brandenburg wird damit nach dem Auffliegen des NSU 2011 das siebte Bundesland, in dem ein Untersuchungsausschuss tätig wird. Im Bundestag nahm im November 2015 schon der zweite Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf. Ende April soll der Landtag über die Einsetzung abstimmen.

„Wir sind es den Opfern und auch den Angehörigen schuldig“, sagte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben am Dienstag in Potsdam. Bislang habe Brandenburg eine eher blockierende, keine aufklärende Rolle gehabt. „Wir sind der Auffassung, dass der NSU-Komplex auch hier in Brandenburg stärker untersucht und öffentlich aufgeklärt werden muss.“

Hinter den Kulissen gab es Verhandlungen

Aus der SPD-Fraktion hieß es, man unterstütze das Vorhaben. Es gebe das gleiche Ziel: umfassende Aufklärung und größtmögliche Transparenz. Die Linke reagierte erleichtert auf den Durchbruch, sie hatte einen Untersuchungsausschuss per Parteitagsbeschluss gefordert, vermied aber in der Koalition mit der SPD jede Konfrontation. Die Linke will den Untersuchungsauftrag sogar weiter fassen: „Jetzt muss schonungslose Aufklärung her – und das ab 1990 bis mindestens 2009“, sagte Linke-Landesvize Sebastian Walter. Die Chance müsse genutzt werden, um nun „alle Verbindungen zwischen dem Verfassungsschutz und der Neonazi-Szene grundsätzlich aufzuklären“.

Anlass für die Entscheidung der Opposition für den Untersuchungsausschuss ist einerseits das Auftreten eines Brandenburger V-Mann-Führers im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München. „Wir möchten nicht, dass wir in einer eventuellen Urteilsbegründung lesen können, dass wir mehr für Aufklärungsmöglichkeiten hätten sorgen können“, sagte Senftleben.

Nach einer ersten Forderung der CDU nach mehr Aufklärung hatte es in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen harte Verhandlungen gegeben. Die SPD, die wie das Innenministerium bislang einen Untersuchungsausschuss ablehnte, geriet zunehmend unter Druck und gab ihre Blockadehaltung auf, bot der Opposition am Dienstag als Schachzug öffentliche Sitzungen der eigentlich geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollkommission an. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel lehnte ab, denn ein Untersuchungsausschuss habe weitaus mehr Rechte.

Hätte Brandenburg Morde verhindern können?

Zusätzlich befeuert wurde die Debatte am Wochenende durch bekannte Vorwürfe im Fall des Neonazis Carsten Sz., der unter dem Decknamen „Piatto“ als V-Mann 1998 einen der wenigen Hinweise auf das untergetauchte NSU-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gab, bevor dieses 2000 ihre Serie von Morden an neun Migranten und einer Polizisten startete. Strittig ist, ob Brandenburg mit dem damaligen Hinweis aus dem direkten NSU-Unterstützerkreis in Chemnitz auf drei „Skinheads aus Sachsen“, die sich Waffen für Banküberfälle besorgen und nach Südafrika fliehen wollten, die Morde hätte verhindern können.

„Piatto“ sollte damals Informationen für ein Verbot der Gruppe „Blood & Honour“ sammeln. Brandenburg verweigerte den Thüringer Behörden, die damals das untergetauchte Trio aus Jena per Haftbefehl suchten, nähere Angaben zur Quelle. Fraglich ist auch, ob „Piatto“ selbst an der Beschaffung von Waffen für den NSU beteiligt war. Zweifelhaft erscheint auch der Umgang der Behörden mit ihm.

Von Königs Wusterhausen baute er die NPD und ein Netzwerk militanter Zellen mit auf und steuerte die Szene, selbst als er 1995 nach einem Mordversuch an einem nigerianischen Asylbewerber ins Gefängnis musste. Unter Vorgabe falscher Tatsachen kam er vorzeitig als V-Mann frei.

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