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Berlin: Langsam wird der Verkehr leiser

Gutachten empfiehlt rigorose Tempolimits in der Ost-City. Pro & Contra: Soll Unter den Linden Tempo 30 gelten?

Die Linden ohne Autos? Dazu müsste der Boulevard nicht einmal in eine Fußgängerzone umgewandelt werden. Allein bei Einführung von Tempo 30 zwischen Wilhelmstraße und Karl-Liebknecht–Brücke sowie durch die geplante Reduzierung der Fahrspuren würde der Verkehr westlich der Glinkastraße um 90 Prozent abnehmen; östlich der Glinkastraße wären maximal 55 Prozent weniger Autos unterwegs. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das Planungsbüro Richter-Richard, das für Mitte einen Aktionsplan zur Lärmminderung erarbeitet hat.

2005 und 2010 werden, wie berichtet, in zwei Stufen die EU-Grenzwerte für Abgase und Straßenlärm verschärft. Mit welchen Schritten die Vorgaben umgesetzt werden können, ist offen. Die einen setzen auf moderne Fahrzeugtechnik mit leiseren Motoren und lärmmindernden Reifen, andere sehen die Lösung vor allem in Tempolimits. Zu ihnen gehört das Büro Richter-Richard. Die Experten schlagen für mehrere Hauptstraßen Tempo 30 vor – auch Unter den Linden, die als Bundesstraße (B 2 / B 5) ausgewiesen ist.

Der Straßenzug habe jetzt eine sehr hohe Trennwirkung, argumentieren die Gutachter. Das Geschwindigkeitsniveau sei zu hoch, weil viele Fußgänger auch abseits der vorhandenen Ampeln die Fahrbahn überquerten. Zudem sei dann nach dem Umbau des Straßenzuges, der nach Plänen von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) im Frühjahr beginnen soll, ein Nebeneinanderfahren von zwei Autos auf dem vorgesehenen 4,25 Meter breiten Fahrstreifen möglich. Nach dem Umbau soll es Unter den Linden, die heute in jeder Richtung vierspurig sind, nur noch drei Fahrbahnstreifen geben – einen fürs Parken, einen als Busspur und einen für den Individualverkehr mit Platz für – theoretisch – zwei Autos nebeneinander. Dafür will Strieder die Gehwege um zwei bis drei Meter verbreitern lassen. Vor der Humboldt-Universität werden die 140 Parkplätze auf dem jetzigen Mittelstreifen aufgegeben; unter dem Bebelplatz entsteht derzeit eine – privat finanzierte – Tiefgarage mit 458 Plätzen. Die Fahrbahn wird dann in die Mitte verlegt, und die Gehwege in diesem Bereich werden von 10 auf etwa 20 Meter verbreitert.

Mit Tempo 30 auf dem gesamten Straßenzug würde der Lärm erheblich vermindert – zwischen der Wilhelmstraße und der Glinkastraße um zehn Dezibel, so die Gutachter. Die Lautstärke wäre dann etwa halbiert. Subjektiv wäre die Belästigung sogar noch geringer: Wenn langsam und gleichmäßig gefahren wird, werde auch der Lärm als „urbanes Begleitgeräusch“ wahrgenommen, argumentieren die Gutachter. Empfinde man dagegen den Verkehr durch überhöhte Geschwindigkeiten oder aggressives Fahren als bedrohlich, störe auch der Lärm mehr.

Wenn es durch Tempo 30 Unter den Linden leiser würde, gäbe es in den Nachbarstraßen erheblich mehr Krach. Auf der (nach Umzug der US-Botschaft wieder befahrbaren) Dorotheenstraße von Glinka- bis Friedrichstraße würde der Verkehr nach den Prognosen der Gutachter um über 200 Prozent zunehmen, auf der Behrenstraße wären es etwa 150 Prozent und auf der Ziegelstraße 50 Prozent mehr. Aber auch für diese Straßen schlagen die Gutachter Tempo 30 vor.

Strikt dagegen ist der Verkehrsexperte der CDU, Alexander Kaczmarek. „Ein Schneckentempo auf der Straße schafft noch keinen Boulevard“, ist er überzeugt. Nötig sei ein Gesamtkonzept für den Ost-West-Verkehr. Und das lasse noch immer auf sich warten.

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