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So läuft das. Mehr als 36.000 Teilnehmer wollen zum Halbmarathon an diesem Sonntag starten.

© Doris Spiekermann-Klaas

Laufschuh-Kunde zum Halbmarathon: Statussymbol auf großem Fuße

Zehntausende starten an diesem Sonntag zum Halbmarathon. Passende Laufschuhe gäbe es für jeden. Aber für viele Käufer zählt gar nicht der Sport.

Im Laufgeschäft stehen die Wände voller Schuhe. Orange, blau, mit Luftkissen oder integrierten Socken. Die Studenten Mario und Julius schütteln den Kopf. Sie suchen eher etwas Schlichtes. Aber damit Sport machen? Die beiden lachen. „Nein, das soll nur so aussehen“, sagt Mario.

Während Sportunternehmen ihre Schuhe technologisch immer mehr verfeinern, Textilien der Weltraumforschung entlehnen und Ingenieure an Dämpfungen werkeln, zählt für viele Kunden vor allem eins: Ästhetik. „Der Hype um Schuhe ist auf jeden Fall im Laufschuhsegment angekommen“, sagt Florian Mrozek, Mitarbeiter bei Runners Point am Ku'damm. Ein neues Phänomen seien die „Urban Runners“, stilbewusste Großstadtmenschen, die das Laufen vor allem aus Lifestylegründen betreiben. „Die laufen meist nicht mehr als zehn Kilometer in der Woche und posten alles auf Instagram“, erklärt er.

Hier die Laufstrecke und die Zeiten, in denen das Feld erwartet wird. Um die Grafik zu vergrößern, klicken Sie bitte auf das Pluszeichen.
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© Tsp

Laufen als Ausdruck urbaner Freiheit – das geht natürlich nur mit auffälligen Schuhen an den Füßen. Ein Trend, dem die großen Marken sich anpassen: Joggingschuhe sollen nicht mehr aussehen wie Joggingschuhe, pastellfarbene Blumenprints und knallige Farbkombinationen sind in. Florian Mrozek sieht die Entwicklung entspannt: „Die Schuhe sehen stylischer aus, aber es sind immer noch Laufschuhe.“ Eine individuelle Beratung ist für Mrozek ein Muss, denn „jeder Fuß rollt anders ab, jeder Laufstil ist anders, darum braucht jeder einen anderen Schuh“. Immer mehr Geschäfte bieten elektronische Gehanalysen an. Letztlich komme es aber auf das Bauchgefühl an, sagt Mrozek.

Wer lange Strecken läuft, braucht gute Dämpfung

Für Carsten Weinreich von „Long Distance Berlin“ ist der passende Schuh vor allem eine Gesundheitsfrage. „Mit einem normalen Straßen- oder Tennisschuh sind Verletzungen schnell da“, sagt er. „Long Distance“ ist ein Geschäft vor allem für Langstreckenläufer. Marathonläufer brauchen laut Weinreich nicht grundsätzlich andere Schuhe als Anfänger. Für lange Strecken sollten Läufer bloß auf eine gute Dämpfung achten, auch wenn die manchmal mehr kostet.

Neben den passionierten Läufern und den hippen Urban Runners gibt es noch eine dritte Gruppe: Die der Sneaker-Verrückten, denen für eine limitierte Turnschuh-Edition kein Aufwand zu groß ist. Vergangenes Jahr wurde ein Schuh auch über die Grenzen der Subkultur hinaus bekannt: Als Adidas den von Kanye West designten „Yeezy Boost 350“ herausbrachte, war der Andrang riesig. Weltweit war das Modell auf 9000 Exemplare limitiert. „Die Leute haben eine Woche vor Verkauf vor dem Laden campiert“, erinnert sich eine Verkäuferin im Schuhladen „Solebox“ am Tauentzien – einem der wenigen Berliner Geschäfte, in denen die Schuhe verkauft wurden.

Schuhe von Kayne West? Muss ich auch haben!

Die Verkäuferin zuckt die Schultern: „Das ist halt so. Die sehen, dass Kanye West den Yeezy gemacht hat und sehen, dass Leute, die sie cool finden, die auch wollen. Dann denken sie: ‚Den muss ich auch haben!’“ Die technische Beschaffenheit des Schuhs sei den Besitzern nicht so wichtig. Beim „Yeezy“ sei selbst die Optik zweitrangig. „Es geht vor allem darum, dass er von Kanye West ist.“

Das Paradoxe: Trotz all der Mühen zieht nur ein kleiner Teil die Schuhe an oder behält sie überhaupt. Mehr als die Hälfte der Glücklichen, schätzt die Verkäuferin, verkauft ihre Errungenschaft weiter. Aus dem Schuh wird ein begehrtes Sammlerstück. Online können Händler für die 200 Euro teuren Schuhe schon einmal das Siebenfache verlangen.

So viel Theater für einen Schuh, den am Ende niemand trägt? Florian Mrozek ist von solchen Reaktionen nicht überrascht. In seiner Filiale machen Touristinnen ständig Selfies mit Sneakern, sagt er. „Da spielt sich die Emotionalität zu den Schuhen schon hier im Laden ab. Mittlerweile ist ein Schuh ein größeres Statussymbol als ein Handy.“ Eine große Verantwortung also, die auf Julius und Mario lastet? Sie winken ab. „Die Schuhe hier sind eh alle nicht cool.“ Sie wollen in den nächsten Laden, ohne Eile. Auf Laufen haben sie nun wirklich keine Lust.

Susanne Romanowski

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