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Berlin: Lauter HipHop führte Gesandte und Berliner zueinander

Er müsse hier falsch sein. Was das denn für eine Veranstaltung sei?

Er müsse hier falsch sein. Was das denn für eine Veranstaltung sei? Schindluder habe man getrieben mit seinem Namen und seiner Adresse, und er gehe jetzt, verkündet jemand am Eingang. Da standen die meisten Gäste allerdings noch draußen vor dem Metropol am Nollendorfplatz und hofften auf Einlass. Er hat ihn nun leider verpaßt, den Diplomatentreff der dritten Art. Denn wahrlich, die Idee ist frisch: Sascha Wolf und seine Initiative "Welcome Home" hatten aus gut zweitausend Berlinern für die 23 Bezirke je einen "Berlin-Botschafter" ausgewählt.

Waschechte Berliner wie die 17-jährige Schülerin Kathrin Rucktäschel, die Marzahn repräsentiert, oder den 47-jährigen Wolfgang Stengel aus Pankow, Kaufmann. Diese Botschafter aus dem Volk sollten am Mittwochabend die echten Diplomaten kennenlernen. Wenn sich Kontakte ergeben, wollen sie ihnen in den nächsten Monaten die Stadt aus ihrer Perspektive zeigen - zur Abwechslung mal ohne Protokoll.

Und damit man sich schon einmal daran gewöhnt, gibt es auch an diesem Abend keines: Ansonsten eher klimatisierte Gespräche pflegend, in Räumen von vornehmer Dezenz, brauchen die Mitglieder des diplomatischen Corps einen Moment, sich von ihrer Überraschung zu erholen, als sie sich im Metropol wiederfinden - düster zum ägyptischen Tempel dekoriert, der überlebensgroße Pharao inklusive. Statt klassischer Musik serviert man HipHop von Erci E: "...man nennt mich liebevoll Kanake, mein größtes Problem - ein Pickel an der Backe." Hinyangewa Asheeke, Namibiens Botschafter, sah man um Viertel nach acht das Weite suchen.

Anderen erging es wie jenem unglücklichen Bundestagsangestellten, der sich in dem drängeligen VIP-Bereich ein Getränk zu organisieren versuchte. Als er sich endlich durchgeboxt hatte, kostete dasselbe Bier plötzlich 6 Mark, denn Freigetränke gebe es jetzt nicht mehr. "Dieses ständige Hin und Her ist albern" befand er und er ginge jetzt. "Das diplomatische Corps und Disko, das passt nicht unbedingt."

Aber die Diplomaten, die jetzt auf der Bühne vorgestellt wurden, waren großzügig erschienen: Mohmoud Ahmed Fathi Mubarak, Botschafter Ägyptens, der Gesandte Brasiliens, Christovam de Oliveira Araujo, Sir Paul Lever, der Britische Botschafter, Erik Becker Becker, sein venezuelanischer Kollege, Repräsentanten aus Bolivien, Rumänien, Bosnien-Herzegovina, Lettland und Slowenien. Sie sehen nicht aus, als litten sie. Primus Guenou aus Togo hatte sich auch als Berlin-Botschafter beworben. Man nahm ihn nicht, und so ist er trotzdem gekommen, um wenigstens nach Vertretern der afrikanischen Länder Ausschau zu halten. Als er keine findet, springt Guenou, der Jeansträger, kurzerhand zu den Würdenträgern auf die Bühne und läßt sich von Sascha Wolf als inoffizieller Botschafter Togos ausrufen. "Immer im Dienst für Schwarzafrika" kritzelt er dem Fotografen in den Block.

Hatte man da den internationalen Diplomaten einen Berliner Brocken vorgeworfen? Die, die geblieben waren, finden sie lustig und schön, diese ungewöhnliche Begegnung. John Jouk, Erster Sekretär der Kanadischen Botschaft, der unternehmungslustig über seinem grünen Samtschal blinzelt, mischt sich unter die Berliner, denn dafür sei er ja schließlich hergekommen - um die Bevölkerung zu treffen. In Konsequenz der Idee hebt man jetzt die Schranken zum VIP-Bereich auf, und bald begegnen sich auf der Tanzfläche Berliner und Botschaftsmitarbeiter.

Volker Hassemer, Chef der Partner für Berlin, mag es ausdrücklich, dass die Veranstaltung so konsequent "der diplomatischen Etikette" widerspricht. Eine Begegnung ohne Protokoll sei schließlich ausdrückliches Ziel. Und die, die jetzt im Metropol feiern, scheren sich nicht darum, dass andere das, was sie sich mutig und originell dachten, nur unverschämt zeihen. Unter den Augen des Pharao haben Boliviens Botschafter Ernesto Schilling und die Berlin-Botschafterin für Zehlendorf inzwischen festgestellt, dass sie beide um die Ecke wohnen. Kerstin Brenninkmeijer will als nächste Aktion einen Brunch in ihrer Lieblingskneipe organisieren, mit ihren eigenen Freunden - und mit Herrn Schilling.

Die Botschafterin von Marzahn tanzt inzwischen mit ihrem Bezirksbürgermeister Harald Buttler. Die Gespräche kommen in Gang. Detlef Langhammer sucht alte Bekannte. Der Verwaltungsbeamte hatte sich als Repräsentant für Schöneberg beworben. Geworden ist es dann eine, die gar nicht in Berlin geboren ist. "Dann ist es halt eine gelernte Berlinerin", sagt der geborene Berliner Langhammer und zuckt mit den Achseln. Dann erzählt er noch, dass er auch Steno kann. Und am liebsten würde er sich mit jemandem in Steno Briefe schreiben, denn das trainiere die Sorgfalt. Die letzte, mit der er sich in Steno Briefe schrieb, hat dann aber einen anderen geheiratet. Und das sei auch schon lange her. So hofft hier jeder auf seine Art auf Begegnung. Medy Soul von Kiss FM richtet die Plattenteller an: "I will survive" - und diplomatisch hieße man diese Veranstaltung wohl "ungewöhnlich."

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