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Berlin: Lauter Schall

Kaum ein Aussteller kommt ohne Boxen aus. Nur die Messe-Seelsorge hat einen Raum der Stille

Bilder, Töne, Design: Die Funkausstellung können wir nur dank unserer Sinne genießen. Deshalb widmen wir jedem Ifa-Tag einen Sinn. Heute: das Hören.

Mit der richtigen Anzahl der Lautsprecher ist das so eine Sache. Bis vor kurzem hieß es noch: Je mehr Boxen um einen herum, desto schicker und größer das Hörvergnügen. Plötzlich gilt genau das Gegenteil: Aus nur noch einer, höchstens zwei Boxen darf die Musik kommen – und trotzdem soll man das Gefühl haben, die Musik klinge aus allen Richtungen. Neue Geräte machen diese Illusion möglich, auch die Soundexperten von Dolby haben so ein Ding in Halle 26 aufgestellt. Auf einem Schild kann man dort nachlesen, wie gut der „Dolby Virtual Speaker“ funktioniert. Nur hören kann man das leider nicht, weil von den Nachbarständen laute Musik rüberschallt. Das sei schon ziemlich „unglücklich“, findet Dolby-Mitarbeiter Wolfgang Tunze.

Auf der Ifa verzichtet kaum ein Aussteller auf eigene Musikbeschallung. Natürlich nicht, schließlich erregen alle Töne zwischen 20 und 20000 Hertz die Aufmerksamkeit des Menschen. Und das hilft, um Kameras, Fernseher oder DVD-Rekorder zu bewerben. Dazu kommen die vielen Bühnenshows mit Gewinnspielen und Gesang – und das Dauer-Geschnatter der Besucher. Die Firma Thompson hat in Halle 21 extra einen DJ engagiert. Was denken die sich bloß dabei? Das Schlimmste aber sind die unzähligen Fernseher: Viel ist in den letzten Tagen über die neuen Fernseh-Technologien gesagt und geschrieben worden – wohl kaum ein Ifa-Besucher, der nicht von HDTV, 16:9 oder sonstigen Bildschirmen begeistert war. Das Problem: Bei vielen der Kisten ist nicht nur der Schirm, sondern auch gleich der Lautsprecher angeschaltet. Und um zu beeindrucken, wird natürlich schön weit aufgedreht. Immer deutlich unter der Schmerzgrenze von 120 Dezibel, aber trotzdem extrem nervig. Die 24000 Härchen im menschlichen Innenohr haben jedenfalls keinen Spaß.

Auch Heinz Josef Guido von Clatronic ist ziemlich genervt. Er stellt Radios, Plattenspieler und Stereoanlagen aus, aber weil er mit den Besuchern ins Gespräch kommen möchte, schaltet er seine Geräte nur auf Anfrage ein. Bringt aber nichts, weil die Nachbarstände „dafür umso lauter aufdrehen“, wie Guido sagt. Wer länger als zwei Stunden auf der Ifa verbringt, sehnt sich vor allem nach einem: Stille. Die gibt’s aber garantiert nirgendwo auf der Funkausstellung. In Halle 25 steht ein Springbrunnen. Vor lauter sphärischen Klängen und Bässen drumherum kann man das Plätschern des Wassers nicht hören. Wohin man auch kommt, der Lärm ist schon da. Selbst im Sommergarten in der Mitte des Messegeländes. Wenn auf der Bühne gerade kein Musical aufgeführt wird, lärmt es von drei Ausstellerständen gleichzeitig. Manchmal mit Melodie, immer mit fürchterlich viel Bass. Letzte Hoffnung: Die Messe-Seelsorge in Halle 6.2. Da soll es einen Raum der Stille geben. 20 Quadratmeter mit Gebetsteppich, kleinem Altar – und leider auch: Vogelgezwitscher und Panflöte vom Band.

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