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Berlin: Lautstarke Kritik nach dem Aus für die Symphoniker

Parlamentarischer Rettungsversuch in letzter Minute schlug fehl. Nun will das Orchester vor Gericht ziehen

Von

Von Sigrid Kneist und

Ulrich Zawatka-Gerlach

Tumult im Orchestergraben: „Pfui Herr Wowereit, die Partei hat immer Recht!“ Einige Musiker der Berliner Symphoniker haben am späten Donnerstagabend zugesehen, wie das Parlament ihrem Orchester den Geldhahn zudrehte. Traurig, ratlos, zornig verließen sie gegen 23 Uhr den Plenarsaal und versammelten sich im Foyer des Abgeordnetenhauses, wo die Symphoniker in besseren Zeiten kleine Konzerte gegeben hatten.

Und zwar jedesmal, wenn das Parlament hilfreich eingesprungen war. Der Senat hatte schon in den neunziger Jahren mehrfach versucht, die Symphoniker abzuwickeln. Aber jedesmal fanden sich die Regierungs- und Oppositionsfraktionen einträchtig zusammen, um das private, aber auf öffentliche Zuschüsse angewiesene Orchester in letzter Minute zu retten. Es war schon fast ein Ritual. Aber diesmal haben die Beschwörungsformeln der Kulturpolitiker aller Fraktionen nicht gewirkt. Die Haushaltsexperten von SPD und PDS blieben hart und rückten die lebensnotwendigen 3,1 Millionen Euro nicht heraus. „Die Entscheidung fiel uns schwer“, sagte die SPD-Abgeordnete und Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing am Donnerstag während der Haushaltsberatungen.

Die Opposition war aufgebracht. „Die Kleinen immer zuerst“, rief die Grünen-Politikerin Alice Ströver in den Saal. „Rot-Rot kürzt bei der Kultur von unten nach oben.“ Es gebe kein einziges vernünftiges Argument für die Streichung der Zuschüsse. „Das ist ein Bauernopfer.“ Sie mutmaßt, dass die SPD damit den Kultursenator Thomas Flierl (PDS) schwächen will. Der FDP-Fraktionschef Martin Lindner sprach von einem Skandal. Eines der besten Orchester Berlins werde abgewickelt.

Trotz einer schweren Bronchitis kam Flierl ins Abgeordnetenhaus, um die – so umstrittene – Haushaltsentscheidung zu verteidigen. Die Offerte der Deutschen Orchestervereinigung, durch Tarifkürzungen bei den drei Opernorchestern und dem Berliner Sinfonie-Orchester 1,2 Millionen Euro beizusteuern, sei „kein wirklich realistisches Angebot“, sagte er. Eine Einschätzung, die von den meisten Haushältern der Koalition geteilt wird. Und so verzichtete man auf den Versuch, die restlichen 1,9 Millionen Euro zur Rettung der Symphoniker zusammenzukratzen. Um 23 Uhr wurde namentlich abgestimmt. Zwei Anträge der Opposition, in denen Vorschläge zur Finanzierung des Orchesters gemacht wurden, fanden keine Mehrheit. Die SPD-Fraktion stimmte geschlossen dagegen, bei der PDS enthielt sich der Kulturexperte Wolfgang Brauer der Stimme. Und an der zweiten Abstimmung nahmen drei Abgeordnete der Koalition nicht teil.

Das war’s. Gleich anschließend wurde der gesamte Landeshaushalt für 2004/05 mit rot- roter Mehrheit beschlossen und die Abgeordneten gingen nach Hause. Die Symphoniker wollen trotzdem nicht aufgeben. Man werde gegen die Streichung der Zuschüsse „geeignete Rechtsmittel einlegen“, teilten der Intendant Jochen Thärichen und Vereinsvorstand Hans-Bodo von Dincklage gestern mit. Außerdem will das Orchester noch die Konzertsaison 2004/05 aus eigener Kraft bestreiten. Andreas Moritz, Mitglied des Orchester-Vorstandes und Trompeter, ist weniger optimistisch: „Wenn wir im Juli von einer Japan-Tournee zurückkommen, können wir uns gleich in die Arbeitslosigkeit verabschieden.“

In der Streichung der Zuschüsse für die Symphoniker sieht Christian Höppner, der Präsident des Landesmusikrates, einen „richtigen Kahlschlag“ der musikalischen Bildung. Das Orchester habe viel dazu beigetragen, dass sich Jugendliche mit Musik beschäftigen. Der Landesmusikrat kooperiert mit den Symphonikern beim Wettbewerb „Jugend musiziert“. Künstlerisch sei es ein Riesenverlust für die Stadt: „Die Symphoniker sind ein sehr gutes Stadtorchester.“ Harte Kritik kommt auch vom Deutschen Kulturrat, der Vereinigung der Kulturverbände. Nach Meinung des Geschäftsführer Olaf Zimmermann ist Berlin die erste große Stadt, die eine solche „Institution der kulturellen Bildung“ abschafft. Damit könne eine Lawine ins Rollen gebracht werden und andere Kommunen dem schlechten Beispiel folgen.

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