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Berlin: Leben in geordneten Bahnen – eine Lesung im Prinzenbad

Die älteren Damen, „die mit den Kaffeewärmern auf dem Kopf“, die schwimmen keine Bahnen, sondern immer nur im Kreis. Wenn es dann im Becken voll wird, ruft Rettungsschwimmer Simon K.

Die älteren Damen, „die mit den Kaffeewärmern auf dem Kopf“, die schwimmen keine Bahnen, sondern immer nur im Kreis. Wenn es dann im Becken voll wird, ruft Rettungsschwimmer Simon K. seinen „Mädels“ zu, sie sollten doch weiter hinten schwimmen, weiter weg von den Startblöcken – aber „dann brabbeln die: Kommt nicht in Frage, wir schwimmen hier seit Jahrtausenden, wir schwimmen weiter.“

Das mit den Jahrtausenden stimmt nicht ganz. Das Prinzenbad, offiziell „Sommerbad Kreuzberg“, gibt es seit genau 50 Jahren: Als der damalige SPD-Bürgermeister Willy Kressmann, wegen seiner regelmäßigen Präsenz in US-Medien auch „Texas-Willy“ genannt, das erste Kreuzberger Freibad eröffnete, hatten 80 Prozent der Wohnungen im Bezirk noch kein eigenes Bad – das neue Schwimmbad war quasi eine hygienische Maßnahme.

Seit 50 Jahren jedenfalls tummelt sich im Prinzenbad ein buntes Volk: die erwähnten Damen mit den Kaffeewärmern auf dem Kopf ebenso wie türkische Familien, Kreuzberger Intellektuelle ebenso wie der Arbeitslose von nebenan. Eines scheinen sie alle gemein zu haben: Keiner nimmt ein Blatt vor den Mund. Rau, aber herzlich – und oft genug ganz schön unerzogen. Rettungsschwimmer Simon K. jedenfalls seufzt: „Wer hier arbeitet, muss pervers sein.“

Matthias Oloew, Tagesspiegel-Redakteur und seit 16 Jahren Stammgast, hat für sein Buch „Prinzenbad – 50 Jahre Eintauchen in Kreuzberg“ (Verlag an der Spree, 114 Seiten, 11,80 Euro) viele Menschen interviewt, die das Prinzenbad ausmachen: den resoluten Badchef Erhard Kraatz ebenso wie die fröhlichen Damen von der Cafeteria, die sich selbst als „Tresenschlampen“ bezeichnen. Außerdem kommen Stammgäste, Kinder und berühmte „Anbader“ wie Richard von Weizsäcker zu Wort. Neben den Interviews beschreibt Matthias Oloew die Geschichte des Bades und einen typischen Tagesablauf. Was dabei entsteht, ist vor allem der Eindruck: Das pralle Leben, das ist hier.

Im Tagesspiegel-Sommersalon liest Matthias Oloew aus seinem Buch und plaudert mit dem Badchef und anderen Originalen – natürlich im Bad selbst, mit Blick auf die Becken. Die Chansonnette Jeannette Urzendowsky singt dazu „Verknallt ins Schwimmfräulein!“ und andere Schwimmbadschlager. Dazu gibt es ein waschechtes Berliner Buffet, zubereitet von den beiden Damen, die seit Jahren den Betrieb in der Cafeteria schmeißen. Und wer will, kann vorher auch noch ins Becken springen – mit oder ohne Kaffeewärmer. D.N.

Zeitung im Salon mit Matthias Oloew: Donnerstag, 17. August, 19.30 Uhr, im Prinzenbad, Prinzenstraße 113-119, 10969 Berlin-Kreuzberg. Eintritt (inklusive Essen) 12 Euro, auf Wunsch vorheriges Schwimmen (Spätschwimmereintritt ab 17.30 Uhr 2 Euro) Anmeldung ist erforderlich unter Tel.: (030) 26009 609. (Am Dienstag von 7.30 Uhr bis 20 Uhr, die Zahl der Plätze ist begrenzt. Gehen mehr Anmeldungen ein, entscheidet das Los.)

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