zum Hauptinhalt

Berlin: Lehre für Lehrer

Von Susanne Vieth-Entus

Man nehme alle Erfahrungen, die man so macht im Leben, subtrahiere die guten, schreibe den Rest auf – und fertig ist ein Horrorbuch. So ungefähr muss es Gerlinde Unverzagt gemacht haben, als sie von ihrem Verlag gebeten wurde, ein „Lehrerhasserbuch“ zu schreiben. Genau so würde das auch funktionieren, wenn ein Lehrer ein „Elternhasserbuch“ schreiben sollte.

Dann erführe man von Eltern, die ihren Nachwuchs bis Mitternacht fernsehen lassen; die ihren Kindern kein Frühstück machen, die ihren Kindern Gameboys kaufen, aber keine Schreibhefte; die wegen jeder Kleinigkeit gegen Lehrer vor Gericht gehen; die ihre Kinder zum Schwänzen ermuntern. Die ihre Kinder schlagen. All das kommt vor, oft.

Man kann natürlich auch ein ausgewogenes Buch schreiben: von guten und schlechten Eltern, guten und schlechten Pädagogen. Aber das würde keiner kaufen. Dann schon lieber ein Buch, das zu Widerspruch anregt und Diskussionen in Gang bringt. Und zu diskutieren gibt es immer noch einiges, trotz der endlosen Pisa-Debatte. Über Lehrer, die wehleidig sind und ihre guten Gehälter nur als „Schmerzensgeld“ für den harten Job verstehen. Über Lehrer, die nicht dankbar sind für ihre sicheren Arbeitsplätze, sondern nur empört über alle Zumutungen. Über Lehrer, die zynisch über ihre Schüler herziehen. Über Lehrer, die nicht bereit sind, ihre Methoden infrage zu stellen. Über Schulleiter, die nicht einschreiten, wenn Kollegen nachweislich ihre Pflichten vernachlässigen.

Aber diese Verhaltensweisen fallen ja nicht vom Himmel. Im Land der Altachtundsechziger war es nicht möglich, dass ein Schulleiter wie ein Dienstvorgesetzter agieren konnte. Stattdessen erhielten die Schulleiter kaum eine Handhabe, sich gegen unfähige Lehrer durchzusetzen. Das einzige Mittel ist die Versetzung in eine andere Schule, die dann genauso verzweifelt ist und ebenfalls versucht, den Betreffenden loszuwerden. „Wanderpokale“ heißen diese Lehrer, die den Staat rund 50 000 Euro im Jahr kosten und vor denen man Schüler und Eltern nicht schützen kann, weil Lehrer unkündbar sind.

Während es in anderen Staaten üblich ist, dass es vor dem Studium Eignungstests gibt, kann in Deutschland jeder Abiturient „auf Lehramt“ studieren. Im Referendariat mag man sie dann nicht durchfallen lassen, weil sie ja schon sieben Jahre ihres Lebens in diesen Beruf investiert haben. Wenn der Staat vor diesem Hintergrund auch noch jahrzehntelang auf Unterrichtskontrollen, zentrale Prüfungen und Vergleichsarbeiten verzichtet, gleichzeitig die Schüler aber immer schwieriger werden, muss man sich nicht wundern, dass man bei den schlechten Ergebnissen der Pisa-Studie landet – und beim „Lehrerhasserbuch“.

Inzwischen hat sich allerdings einiges getan: Externe Fachleute inspizieren Schulen; Vergleichsarbeiten und zentrale Abschlussprüfungen fördern zutage, wenn Klassen oder Schulen zurückbleiben. Es gibt sogar endlich Managementkurse für Schulleiter. Den entscheidenden Schritt ist bisher aber nur Berlin gegangen, indem es entschied, Lehrer nicht mehr zu verbeamten. Jetzt gilt es, diesen Schritt zu behaupten – gegen andere Bundesländer, die Berlins Junglehrer abwerben, und gegen mögliche neue Finanzssenatoren, die lieber verbeamten wollen, um Angestellten-Sozialabgaben zu sparen. Man sollte sie daran erinnern, dass auch Beamtenpensionen Geld kosten.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false