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Berlin: Lehren lernen: Referendare sollen mehr unterrichten

Die Schulbehörde will die Ausbildung grundlegend reformieren und Nachwuchslehrer künftig 16 Stunden pro Woche vor die Klasse stellen

Das Referendariat für Lehrer wird grundlegend reformiert. Dieser Teil der Ausbildung soll nach den Plänen der Senatsbildungsverwaltung nun überwiegend an den Schulen absolviert werden. Bisher verbrachten die Studenten mehr Zeit in den Ausbildungsseminaren. Außerdem ist geplant, dass die Nachwuchslehrer während des Referendariats 16 Stunden pro Woche Unterricht erteilen. Bisher sind es – je nach Ausbildungsstand und Schulform – vier bis zwölf. Nebeneffekt: Zwei Referendare mit 16 Unterrichtsstunden machen dann rein rechnerisch mehr als eine Lehrerstelle überflüssig. Wenn, wie angedacht, auch die 44 Schulpraktischen Seminare auf acht bis zwölf reduziert werden, dann entfielen obendrein hoch dotierte Leitungsstellen.

Zündstoff birgt der Plan, das Referendariat der Grundschullehrer von zwei Jahren auf eines zu reduzieren. „Das versteht kein Mensch“, ärgert sich Erhard Laube, der die Schöneberger Spreewald-Grundschule leitet. Er verweist auf die schwierige Situation an den Grundschulen. In den ersten bis sechsten Klassen gibt es besonders große Probleme mit mangelnden Sprachkenntnissen.

Hinzu kommen Herausforderungen, wie sie aus den Reformen zum jahrgangsübergreifenden Lernen erwachsen. Grundsätzlich hält Laube es aber für richtig, die Ausbildung stärker an die Schulen zu verlagern. Dort sollen speziell ausgewählte Lehrer zu Ausbildungsleitern für die Referendare werden und deren Arbeit bewerten. Bisher waren nur die Seminarleiter und die Schulleiter für die Bewertung zuständig. Damit diese Lehrer die neuen Aufgaben erfüllen können, sollen sie eine Fortbildung in Unterrichtsanalyse, Beratung und Fachdidaktik erhalten.

Harald Mier vom Verband der Oberstudiendirektoren denkt, dass mit der ganzen Reform der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird. Schließlich gründe sie auf ein praxisnäheres Lehramtsstudium. Solange es das aber nicht gebe, dürfe man das Referendariat nicht derart verändern. Mier fragt sich auch, wie er die Lehramtsanwärter im Unterricht einsetzen soll. Wenn sie praktisch aus dem Stand heraus 16 Stunden unterrichten sollten, sei es doch gar nicht verantwortbar, die Anfänger etwa in den siebten Klassen einzusetzen, wo es für die Schüler um das Bestehen des Probehalbjahrs gehe. Auch die zehnten Klassen seien problematisch angesichts des mittleren Schulabschlusses, und die Oberstufe sowieso. „Also bleiben nur die achten und neunten Klassen“, schlussfolgert Mier, der im Übrigen darauf hinweist, dass die Berliner Lehramtsausbildung bisher bundesweit einen guten Ruf habe.

Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Rosemarie Seggelcke, hält es angesichts der unausgegorenen Reform der Uni-Ausbildung für völlig unmöglich, die neue Referendar-Verordnung wie geplant ab 2008 umzusetzen. Insbesondere kritisiert sie, dass das Grundschul-Referendariat verkürzt werden soll.

Die Kritik ist der Bildungsverwaltung nicht unbekannt. Sowohl der Verband der Oberstudiendirektoren als auch die GEW haben mit Bildungs-Staatssekretär Thomas Härtel (SPD) bereits über ihre Bedenken gesprochen. Jetzt soll eine „breite Diskussion“ geführt werden.

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