zum Hauptinhalt
Verbotener Qualm. Das Rauchen auf dem Schulgelände bleibt untersagt. Allerdings könnte der Streit bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Foto: p.a./dpa

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Berlin: Lehrer müssen zum Rauchen weiter auf die Straße

Pädagoge fordert vor Gericht vergeblich ein separates Zimmer in der Schule. Er wollte nicht von den Kindern gesehen werden

Berliner Lehrer müssen das Schulgelände verlassen, wenn sie zur Zigarette greifen wollen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Mittwoch die Klage des Pädagogen Hans-Joachim H. abgewiesen, der für sich und seine rauchenden Kollegen ein Raucherzimmer beansprucht. „Es ist ein Unterschied, ob jemand zum Rauchen vor die Schule gezwungen wird oder ob es mit einem eigenen Zimmer für Lehrer gewissermaßen privilegiert wird“, sagte der Vorsitzende Richter zur Begründung. Ein Raucherzimmer sei für Schüler möglicherweise ein schlechteres Vorbild als vereinzelt vor den Schultoren rauchende Lehrer. Das ausnahmslose Verbot an Schulen sei pädagogisch zielgerichtet, rauchende Lehrer würden dadurch nur wenig eingeschränkt. Wegen „grundsätzlicher Bedeutung“ des Falles ließ die Kammer dennoch eine Berufung zu – der Streit könnte bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, wie bereits andere Klagen gegen den Nichtraucherschutz. „Einen solchen Fall gab es da bislang noch nicht“, so der Richter.

In Berlin ist das Rauchen auf dem Schulgelände seit 2005 strikt verboten, für Schüler wie für Lehrer. Das 2008 in Kraft getretene Berliner Nichtraucherschutzgesetz, das vom Bundesverfassungsgericht später in Teilen für verfassungswidrig erklärt und deshalb novelliert wurde, untersagt darüber hinaus das Rauchen in allen Verwaltungen. Gegen dieses Gesetz laufen nach Auskunft des Verwaltungsgerichts keine Klagen. Auch das darin geregelte Rauchverbot in Gaststätten wird laut des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands „gut angenommen“ und als „sinnvoller Kompromiss angesehen“. 636 Wirte haben bisher die Möglichkeit genutzt, ihre Einraumkneipe als „Rauchergaststätte“ zu deklarieren. Eine Klage von Gastwirten gegen das Nichtraucherschutzgesetz hält der Verband für unwahrscheinlich und aussichtslos.

Lehrer Hans-Joachim H. ist über das Urteil „ein bisschen enttäuscht, aber das Ergebnis war zu erwarten“. Vor einigen Jahren noch seien Raucherzimmer eine Selbstverständlichkeit gewesen. „Jetzt staunen die Eltern, dass wir vor der Tür rauchen müssen“, sagte der Lehrer einer Weddinger Grundschule. Im Kollegium gäbe es noch rund 15 Kollegen, die ein Zimmer nutzen würden. Er selbst konsumiere rund 20 Zigaretten am Tag, „das hilft mir, den Stress abzubauen“. Seinen Antrag auf einen Raum hatte die Schulleitung 2008 abgelehnt. Die Bildungsverwaltung argumentierte, dass die Schulleitung dem Antrag gar nicht stattgeben durfte. H.s Anwältin Karla Schneider hält das rigide Verbot für überzogen. „Überall gibt es Ausnahmen für Raucher, auch in der Schule wären sie möglich.“ Vor der Tür rauchende Lehrer würden zum Kumpel dort rauchender Schüler und verlören ihre Vorbildwirkung. Zudem seien Lehrer nicht unfallversichert, wenn sie während der Schulzeiten auf die Straße müssten.

Dies ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts das geringste Problem: Wer als Lehrer dem Verbot folgt und draußen raucht, sei versicherungsrechtlich wohl noch im Dienst. Da wog eine mögliche Grundrechtsverletzung durch das scharfe Gesetz schwerer. Aber nicht schwer genug, um den Fall sofort dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Nichtraucherschutz und staatlicher Erziehungsauftrag hätten Vorrang vor der Handlungsfreiheit des Lehrers, meinten die Richter. Jetzt könnte der Fall zunächst vor das Oberverwaltungsgericht kommen – wenn der Kläger es will.

Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat man kein Verständnis für Hans-Joachim H. Manfred Triebe, bei der GEW für den Gesundheitsschutz mitverantwortlich, spricht von einer „abwegigen Argumentation“ des Klägers. „Wenn er tatsächlich um seine Vorbildfunktion besorgt ist, soll er mit dem Rauchen aufhören.“ Triebe betont, dass es sich bei dem Kollegen um einen Einzelfall handelt – in der Regel hätten sich die Lehrer mit dem Rauchverbot arrangiert. „Sie nutzen Nischen außerhalb des Schulgeländes.“ Die Suche nach alternativen Orten zum Rauchen nimmt bisweilen komische Züge an: An einer Kreuzberger Schule etwa verschwinden Lehrer regelmäßig auf dem nahe gelegenen Friedhof, um zu qualmen. Zudem soll es an zahlreichen Schulen illegale Raucherzimmer geben. Auch Klaus Schroeder vom Hauptpersonalrat hat „davon gehört“, sieht aber keinen Handlungsbedarf: Manchmal gebe es einen „gewissen Spielraum“, den man dulden könne, solange es Dritte nicht stört.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false