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Berlins Lehrer werden knapp, seit mehr Pädagogen in Pension gehen als ausgebildet wurden. Jetzt wird auf Nachwuchs aus anderen Bundesländern und auf Quereinsteiger gesetzt.

© dpa

Lehrermangel in Problemkiezen: Senat schickt auswärtige Bewerber auf Bustour

Berlin sucht noch über 1700 Lehrer zum neuen Schuljahr. Vor allem in den Brennpunktbezirken dürfte es knapp werden. Die Verwaltung steuert jetzt auf ganz neue Art dagegen - mit Bustouren für auswärtige Bewerber.

Neukölln? Spandau? Berliner Lehrer gucken bei den alljährlichen Castings meist betreten zu Boden, wenn ihnen in diesen Bezirken Arbeitsplätze angeboten werden. Darum hat sich die Bildungsverwaltung etwas Neues einfallen lassen, um die lokal besonders gravierende Personalnot zu lindern: Bewerber aus anderen Bundesländern werden am 10. Mai nicht nur zu einem „Berlintag“ eingeladen und mit verbilligten Anreisen gelockt, sondern sie bekommen auch noch „zwei Busrundfahrten nach Spandau und Neukölln“ geboten. Es handele sich um „Kiezerkundungen per Bus mit Ausstieg“, bei denen auf einige Schulstandorte hingewiesen werde. Die genauen Routen seien noch nicht bekannt, es werde aber für einen „Stadtführer“ gesorgt, der die Tour begleite, heißt es auf der Facebook-Seite der Senatsverwaltung für Bildung.
Das Haus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) lässt offenbar nichts unversucht, um zum Sommer doch noch alle rund 1700 freien Lehrerstellen zu besetzen. Auch der Verband der Berliner Kaufleute (VBKI) und sowie die Berlin-Werber "Berlin Partner" unterstützen den „Berlintag“, indem sie den Interessenten ihr edles Ludwig-Erhard-Haus in der Fasanenstraße zur Verfügung stellen. Dort soll es auch Infos zu Fragen „rund um den Lehrerberuf und den Umzug nach Berlin“ geben.

Sorge über die Qualifizierung der Quereinsteiger
Wie berichtet, setzt Berlin massiv auf berufliche Quereinsteiger, um den Bedarf zu decken. Rund 3300 haben sich schon beworben. Nach der FU-Professorin für Mathematik-Didaktik, Brigitte Lutz-Westphal, äußerte jetzt auch die neue TU-Vizepräsidentin für Lehrkräftebildung, Angela Ittel, „große Sorgen, die Quereinsteiger könnten überfordert sein“. Immerhin hätten die Unis durchsetzen können, dass sie sich in ihrer Weiterbildung auch mit den Themen wie Klassenmanagement und Schüler-Lehrer-Interaktion befassen müssten. Für die Unis, die die Quereinsteiger parallel zur ihrem Berufsstart weiterbilden sollen, sei es eine Herausforderung, auf die Schnelle die nötigen Ressourcen bereitzustellen. Generell habe sie aber nichts gegen Quereinsteiger, sagte Ittel: „Die können kreativ und befruchtend wirken.“

Lutz-Westphal hatte es am Mittwoch als "ethisch nicht vertretbar" bewertet, wenn Neulinge ohne Lehramtsstudium, ohne Zweitfach und ohne Referendariat für 19 Stunden Unterricht vorgesehen werden. Die Konditionen werden jetzt verhandelt.

Berlins Bildungspolitiker sind ebenfalls alarmiert

Opposition und Koalition sind gleichermaßen alarmiert. Zu befürchten sei ein "Glückspiel auf dem Rücken der Kinder", warnte der bildungspolitische Sprecher der Piraten, Martin Delius. Hildegard Bentele von der CDU sagte, sie sei "massiv alarmiert". Wenn man jetzt für die nächsten Jahre unbefristete Stellen mit Quereinsteigern besetze, die dann bald dem gut ausgebildeten Nachwuchs die Arbeitsplätze wegnähmen, "hätte man sich das ganze neue Lehrerbildungsgesetz sparen können". Sie sei "entsetzt" über die Pläne. Die Bildungsverwaltung betont allerdings, dass es nur sehr wenige Bewerber gebe, die ihr zweites Fach noch nachstudieren müssten. Alle anderen würden aber ein berufsbegleitendes Referendariat machen. Ausgebildete Lehrer können sich noch immer für das nächste Schuljahr bewerben. Die Hotline der Bildungsverwaltung hat die Nummer 030/90227-5777.

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