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Ralf Krüger unterrichtet an der Waldorfschule Havelhöhe – und wurde zum besten Lehrer Berlins gekürt.

© dapd

Lektionen fürs Leben: Auf den Lehrer kommt es an

Viele Eltern wünschen, dass die Schulen mehr für die Erziehung tun. Die richtige Balance zwischen Freiraum und Strenge sei gefragt, meint der Gewinner des Deutschen Lehrerpreises.

Er steht im Mittelpunkt jeder Bildungsdebatte, und es wird weit mehr von ihm verlangt, als Schüler zu unterrichten. Mitunter soll er gleich alle Probleme der Erziehung beheben, mit denen sich Familien zunehmend überfordert fühlen. Doch wie muss ein Lehrer sein, um vor den Augen seiner Schüler zu bestehen? Um sie zu begeistern und sich auch in Disziplinfragen durchzusetzen? Auf diese Frage gibt es offenbar unterschiedliche Antworten – je nach Schulform und sozialer Lage.

Eine Antwort gibt Laura Morgenstern. Die Spandauer Abiturientin war so überzeugt von ihrem ehemaligen Lehrer, dass sie ihn für den Deutschen Lehrerpreis vorschlug und mit ihrer Begründung eine hochkarätige Jury aus renommierten Bildungsforschern und Schulpolitikern überzeugte. Am Mittwoch wurde Ralf Krüger als einer der besten Lehrer Deutschlands von Angela Merkel ausgezeichnet.

„Man fühlte sich als Person, als Mensch wahrgenommen und geachtet. Er hakte nach, wenn er das Gefühl hatte, dass bei irgendwem etwas nicht stimmt“, sagt seine ehemalige Schülerin, wenn man sie nach ihrem Ideallehrer fragt. Vor allem aber habe er „jeden Einzelnen“ unterstützt und seine Schüler für den Stoff begeistern können. „Herumzubrüllen“, das habe er „gar nicht nötig gehabt“.

Ralf Krüger arbeitet an der Freien Waldorfschule Havelhöhe in Kladow. Eigentlich ist er promovierter Kunsthistoriker, hat sich dann aber zum Waldorflehrer fortgebildet, weil er als Museumspädagoge merkte, dass er „Dinge gut vermitteln kann“. Er sagt, dass er keine allzu harten Regeln brauche, um mit seinen Schüler zurechtzukommen. Aber letztlich hänge die Frage der Strenge damit zusammen, „mit welchen Schülern man konfrontiert ist“.

Diese Erfahrung hat auch Michael Rudolph gemacht. Der Rektor der Friedenauer Friedrich-Bergius-Sekundarschule hat 27 Jahre lang „an Kreuzberger Hauptschulen zugebracht“. Er hat miterlebt, dass „Lehrer so zusammengeschlagen wurden, dass sie nie wieder an die Schule zurückkamen“. Er hat gesehen, dass sich die Lehrer nicht auf den Schulhof trauten, wenn sich dort bestimmte Schüler aufhielten. Daraus hat er Regeln abgeleitet, die ihm als Leiter der Friedenauer Friedrich-Bergius-Schule den Ruf einbrachten, Berlins strengster Schulleiter zu sein.

Michael Rudolph (u. li.), Leiter der Friedrich-Bergius-Schule, gilt wegen seiner Strenge als härtester Rektor Berlins.
Michael Rudolph (u. li.), Leiter der Friedrich-Bergius-Schule, gilt wegen seiner Strenge als härtester Rektor Berlins.

© dpa

Zu Rudolphs Programm gehört eine fein abgestufte Folge von „Erziehungsmaßnahmen“. Für Zuspätkommer heißt das zum Beispiel, dass sie im Wiederholungsfall den Hof fegen müssen – vor Schulbeginn. Auch wer sein Sportzeug mehrmals vergisst oder andere Regeln verletzt, muss zu Eimer und Wischlappen greifen. „Schule muss den Weg ins Leben öffnen“, sagt Rudolph. Das bedeute, dass die Schüler frühzeitig Pünktlichkeit und Ordnung lernen müssten.

Viele Schulen machen seit Jahrzehnten gute Erfahrungen mit klaren Ansagen. So lässt der Rektor der beliebten Heinrich- von-Stephan-Schule, Jens Großpietsch, verspätete Schüler gern bei sich im Büro Platz nehmen. Sie müssen ihm dann bei der Arbeit helfen. Schulen wie die Tempelhofer Sekundarschule Ringstraße handeln mit ihren Schülern sogenannte Schulversprechen aus, die sie dazu verpflichten, die Spielregeln des Zusammenlebens einzuhalten.

Eltern wissen derart klare Ansagen zu schätzen: Die Anmeldezahlen der „strengen“ Schulen steigen. So konnte Michael Rudolph am vergangenen Sonntag beim ARD-Talk mit Günther Jauch berichten, dass sich die Anmeldezahlen an der Bergius-Schule vervierfacht hätten. Noch im Jahr 2006 sei sie mangels Nachfrage von Schließung bedroht gewesen, dieses Jahr mussten die Plätze verlost werden.

„Eltern wünschen sich auch deshalb klare Ansagen der Schule, weil sie selbst es oft nicht mehr schaffen, sich gegenüber ihren Kindern durchzusetzen“, berichtet ein Gymnasiallehrer aus Wilmersdorf. Fassungslos stehen er und seine Kollegen vor dem Phänomen, dass Tag für Tag Dutzende Schüler zu spät zum Unterricht erscheinen. Die einzige Konsequenz: Auf dem Zeugnis wird die Anzahl der Verspätungen genannt. Die Bitte der Eltern, Strafen fürs Zuspätkommen zu verhängen, wird meist abgeschmettert. „Die Schüler müssten alt genug sein, selbst auf die Uhr zu sehen“, lautet die Antwort der Lehrer.

Freiheit der Lehre. Angela Merkel bei der Vergabe des Deutschen Lehrerpreises.
Freiheit der Lehre. Angela Merkel bei der Vergabe des Deutschen Lehrerpreises.

© dpa

Rektor Rudolph hat dafür kein Verständnis. Er findet, dass die Lehrer den Schülern damit einen schlechten Dienst erweisen, weil sie ihnen damit den Einstieg ins Berufsleben erschweren.

„Strenge Regeln können hilfreich sein“, sagt auch der preisgekrönte Waldorflehrer Ralf Krüger. An seiner Schule hat er die Erfahrung gemacht, dass man nicht die ganz große Keule herausholen muss, um sich durchzusetzen. Wer etwa zu spät kommt, muss eben vor der Tür warten, bis das Waldorf-Begrüßungsritual mit einem „Morgenspruch“ und einer Rezitation beendet ist. Krüger setzt ebenfalls auf schriftliche Vereinbarungen, handelt mit seinen Schülern bestimmte Regeln aus und lässt sie diese unterschreiben. „Schüler wollen immer ihre Rechte einforden, aber sie müssen auch ihre Pflichten kennen,“ stellt Krüger klar. Es müsse ein „Gleichgewicht zwischen Freiraum und Konsequenz geben – und konstante Zuwendung“.

Wie viel Gemeinsamkeit zwischen Krüger und Rudolph besteht, aber auch mit den Leitern der Neuköllner Rütli- und der Heinrich-Mann-Schule, kann man übrigens morgens um kurz vor acht beobachten: Sie alle stehen in den Türen ihrer Schulen oder Klassenzimmer, um jeden Schüler persönlich per Handschlag oder Augenkontakt zu begrüßen.

Alle Preisträger und Schulen unter unter: www.lehrerpreis.de

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