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Berlin: Lernziel: Lebenstüchtigkeit

Hauptschulen wollen künftig Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit vermitteln. Damit Programme wie das neue Netzwerk helfen

Die Lage: Ein Fünftel der Hauptschüler mit Abschluss bekommt eine Lehrstelle. Das Ziel: Bis zum Jahr 2010 soll diese Zahl verdoppelt werden. Ein Weg dahin: Das „Netzwerk Hauptschulen“, das durch Kontakte zwischen Firmen und Schulen gezielt Schulabgänger vermitteln will (wir berichteten). Und das ist das Problem: Viele Hauptschüler trauen sich das alles nicht zu.

Das Netzwerk hat am Montag Zahlen seiner im Januar gestarteten Arbeit veröffentlicht – und daraus ging auch hervor, dass viele Schüler die Hilfsangebote nicht annehmen: Von 96 verabredeten Übungseinstellungsgesprächen fanden bisher 40 statt, von 99 vereinbarten Mentorengesprächen 63. Dieter Hohn überrascht das nicht. „Die Schüler glauben, chancenlos zu sein und sind deshalb unmotiviert“, sagt der Leiter der Pommern-Oberschule. Die Hauptschulen denken deshalb um. „Wir müssen Schüler lebens- und ausbildungsfähig machen“, sagte Hohn. Neben Mathe und Englisch geht es künftig ab Klasse 7 auch um Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit – zwei Qualitäten, die gerade bei Hauptschülern immer wieder vermisst werden.

Das bestätigt Karla Werkentin, Leiterin der Weißenseer Heinz-Brandt- Schule, die auch im Netzwerk mitmacht. Die Schüler schwänzen Termine, weil sie Angst haben zu versagen. So ein Termin, und sei er nur zur Probe, sei ein regelrechter „Realitätsschock“, so Werkentin, die den Schülern keinen Vorwurf macht. „Viele verschicken 40 Bewerbungen und kriegen nicht mal eine Absage zurück.“ Außerdem seien die Schüler in ihren Familien oft die Einzigen, die morgens aufstehen. Bei der Schulverwaltung formuliert der zuständige Referent Siegfried Arnz das Problem so: „Aus allen Grundschulen gehen die zwei bis drei problematischsten Schüler auf die Hauptschulen – und die sitzen dann zusammen in einer Klasse.“ Ein Dilemma, sagt Arnz.

Und so waren sich am Montag alle einig in ihrem Lob für das Netzwerk – und in ihrer Kritik daran, dass es erst ab der zehnten Klasse greift. Um Schüler aufs Berufsleben vorzubereiten, müsse man früher mit ihnen arbeiten. Das sagte für die Unternehmerseite die Azubi-Beauftragte des Möbelhauses Ikea, Kristina Fuhrmann. Einige Schüler hätten sie im Gespräch aber doch positiv überrascht, sagte sie und gab zu, dass Unternehmen ihre Haltung gegenüber Hauptschulen überdenken müssten.

Für das kommende Jahr kündigten die Netzwerker an, bereits in der neunten Klasse anzusetzen. Parallel dazu gibt es an Schulen auch eigene Programme, um Schülern Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit beizubringen. Die Heinz-Brandt- Schule beispielsweise veranstaltet Jahrespraktika, bei denen Schüler ein Schuljahr lang einen Tag pro Woche in einem Betrieb verbringen. Auch da würden viele nach kurzer Zeit abspringen, sagt Karla Werkentin. An der Pommern-Oberschule hat das Netzwerk bereits positiv ausgestrahlt – auch auf diejenigen, die bisher nicht teilnehmen. Während normalerweise pro Abschlussjahrgang drei bis fünf Schüler noch den Realschulabschluss erhalten würden, seien es in diesem Jahr 19 Schüler, sagt Schulleiter Hohn stolz: „Sie können es also.“

Das Netzwerk will künftig mit 20 Schulen zusammenarbeiten. Man sucht auch noch Betriebe, die sich beteiligen. Die stehen nicht so Schlange wie die Schulen.

Weitere Informationen beim Netzwerk Hauptschulen unter Tel. 3100 5181

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