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Kling und die anderen. Marc-Uwe Kling, Bassist „Boris the Beast“, Maik Martschinkowsky, Sebastian Lehmann und Julius Fischer (von links).

© rbb/Sven Hagolani

Lesebühne im RBB: Das Känguru wird Fernsehstar

Marc-Uwe Kling, Autor der Känguru-Trilogie, und seine Lesedünen-Kollegen bekommen eine eigene RBB-Sendung. Am Sonntag laufen die ersten beiden Folgen.

„Der RBB muss sehr verzweifelt sein“, sagt das Känguru. Natürlich ist es wenig begeistert, als Marc-Uwe Kling nach Hause kommt und ihm die großen Neuigkeiten verkündet. Eine eigene Fernsehshow bekommt er! Mit seinen Lesedünen-Kumpels Julius Fischer, Maik Martschinkowsky und Sebastian Lehmann hat er vier Folgen aufgezeichnet: „Bühne 36 – Känguru & Co“ wird an den kommenden beiden Sonntagen (22.45 Uhr) jeweils in einer Doppelfolge im RBB ausgestrahlt. „Woher weißt du, dass es der RBB ist?“, fragt Kling leicht verwirrt zurück. „Naja, HBO wird nicht gefragt haben“, antwortet das Känguru. Es sind diese launigen Dialoge, die Marc- Uwe Kling und seinen Mitbewohner, das stets schlechtgelaunte, kommunistische, prügelnde, Schnapspralinen- und Nirvana-süchtige Känguru, berühmt gemacht haben. Drei Bestseller hat Kling über das Leben mit seinem Alter Ego veröffentlicht, neue Geschichten liest er zweimal im Monat bei der „Lesedüne“ im SO 36, seit zehn Jahren die erfolgreichste Veranstaltung dieser Art in Berlin.

Und da Marc-Uwe Kling seit Jahren keine Interviews mehr gibt, haben er und „die drei anderen“ wie es im Vorspann der Sendung heißt, einfach die erste Hälfte eines ganz normalen Lesedünen-Abends am Montag genutzt, um alles Wesentliche zur Sendung mitzuteilen. Schon eine halbe Stunde vor Beginn sind die aufgereihten Bierbänke im SO 36 vollbesetzt, draußen auf der Oranienstraße hoffen noch unzählige auf ihr Glück, drinnen sitzen sie schon im Schneidersitz auf dem Boden, Altersdurchschnitt Mitte 20, Typ Student, hohe Turnbeuteldichte. Es riecht nach Schweiß und Marihuana.

Um 20.01 Uhr steht Marc-Uwe Kling plötzlich am Mikroständer, mit seinem schwarzem Béret, zerschlissener Kapuzenjacke und Drei-Tage-Bart. Er sagt kurz, was es zu sagen gibt: Vier Folgen „Bühne 36“, ach das wollte ja der Julius gleich erzählen, na dann zeigen wir doch erst mal was. Aber natürlich geht der Beamer nicht, Julius Fischer drückt wild auf einer Fernbedienung herum, also widmet sich Kling kurz seiner Lieblingsbeschäftigung: Zitate falsch zuordnen („Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.“ Hannibal Lecter). Dann läuft der erste Clip: Der aufwendig produzierte Vorspann, der für jede der vier Folgen anders ist – immer unterlegt mit einer coolen Titel-Melodie von „Boris the Beast“, Diplom-Bassist und Ein-Mann-Show-Band, der jedem einen eigenen Jingle geschrieben hat. „Wie bei Peter und der Wolf“, sagt Marc-Uwe Kling und versucht ein wenig Stolz in seine Stimme zu legen.

Bis auf die Video-Einspieler läuft am Montagabend aber nichts, wie es sonst läuft bei solchen Gelegenheiten. Fragen sind natürlich nicht erlaubt, auch erklärt niemand, was das Ganze denn nun eigentlich soll oder was sich der RBB davon erhofft. Dafür macht jeder einfach das, was er am besten kann: das Geschehen in einer Geschichte verarbeiten.

Julius Fischer beginnt mit einem Tagebucheintrag darüber, dass nun der Traum seiner Kindheit wahr wird: im Lieblingssender seiner Urgroßmutter aufzutreten. Darin erfährt man auch, dass Marc-Uwe Kling als Star des Ensembles nicht nur eine eigene Garderobe bekam, während sich „die anderen drei“ den Fotoautomaten neben Kaiser’s teilen mussten, sondern dass sowohl diese Garderobe als auch Kling selbst von innen komplett aus Gold bestehen. Sebastian Lehmann ruft seine Eltern in Süddeutschland an, die die Sendung nicht in der Mediathek dieses Ost-Senders finden. Maik Martschinkowsky hat sich zum Interview mit einer blasierten Literaturkritikerin getroffen, die natürlich nur wissen will, wie Marc-Uwe Kling denn nun so privat ist. „Ich habe das Gefühl, dass Sie nicht auf meine Fragen antworten“, sagt sie, als Maik Martschinkowsky versucht, Informationen zur Sendung unterzubringen. „Ich habe auch das Gefühl, dass ihre Fragen nicht so recht zu meinen Antworten passen“, beschwert der sich zurück.

Und Marc-Uwe Kling verarbeitet das Geschehen natürlich in einem Dialog mit dem Känguru. Die vier Sendungen haben die Themen Ernährung, Wohnen, Arbeiten und Unterhaltung. „Das sind ja die vier Säulen des Proletarismus“, sagt das Känguru. Mit Ernährung geht es los – was allein deswegen schon unterhaltsam ist, weil alle ununterbrochen essen. Pizza und Selleriestangen, Chips und Burger. Julius Fischer erzählt in Anwesenheit seiner Mutter vom „Basenfasten für Eilige“ und Maik Martschinkowsky, der Veganer, der kein Gemüse mag, versucht verkniffen, mit einem Strohhalm die Erde aus einer Kartoffel zu saugen.

Gedreht wurde im Monarch am Kottbusser Tor, wo die Lesedüne jahrelang stattfand. Mehr Berlin-Panorama geht kaum, wenn im Hintergrund die U1 durchs Bild fährt und unten am Kreisel dauernd Blaulicht aufblitzt.

Der RBB, der – so viel erschließt sich dann doch – wohl mal wieder versucht, ein jüngeres Publikum zu erreichen, war immerhin so witzig, mit der Presseeinladung eine Schachtel Schnapspralinen zu verschicken, traut sich dann aber doch nicht an einen besseren Sendetermin. Immerhin sind alle Folgen ab sofort in der Mediathek zu sehen.

Er habe sich ja selbst gewundert über die Anfrage, sagt Marc-Uwe noch zum Känguru. Schließlich sei es ja fürs Fernsehen nicht so sexy, wenn Leute wie sie ständig Din-A4-Zettel in die Kamera hielten. Aber man habe einen Kompromiss gefunden: Din A5. Kein Scherz.

„Bühne 36“ läuft am 29. Mai und 5. Juni, jeweils 22.45 Uhr, als Doppelfolge im RBB und am 16. Juni um 23.45 Uhr im Ersten. In der Mediathek sind die Folgen bereits zu sehen unter: mediathek.rbb-online.de. Die nächste Lesedüne im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg, gibt es wieder am 13. Juni, 20 Uhr, Eintritt 4 € (nur Abendkasse).

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