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Platz zum Schmökern. Was Onlinehändler nicht haben: Einen Ohrensessel und Regale, die Leselust wecken.

© Kitty Kleist-Heinrich

Lesemonat November: Das sind Berlins schönste Kiezbuchläden

Herbstzeit ist Lesezeit: Die Tagesspiegel-Redaktion empfiehlt ihre liebsten Schmökerstuben in den Kiezen.

KREUZBERG

Vor ziemlich genau zehn Jahren eröffnete Eleni Efthimiou zusammen mit Susan Pfannenstiel ihre kleine Buchhandlung „Leseglück“. Die Kunden schätzen die Kompetenz und Beratung: „Wir haben alle Bücher gelesen, die wir empfehlen“, sagt die 41-Jährige mit griechischen Wurzeln, die sich mit der Gründung einen Lebenstraum erfüllt hat. Online bestellen kann man bei ihr genauso schnell wie bei Amazon. Im Juni 2012 haben die beiden Buchhändlerinnen die Straßenseite gewechselt (Ohlauer Straße 37) und sind in größere Räume gezogen. Seitdem ist das Leseglück nicht nur ein bestens sortierter Buchladen für internationale Belletristik, sondern – dank des guten Kaffees – auch ein Ort für das Nachbarschaftsgespräch.

Ihr Sortiment verändert sich mit der Kundschaft: In den ersten Jahren vergrößerte Efthimiou aufgrund der vielen Familiengründungen im Kiez das Angebot an Kinderbüchern. Inzwischen sind die Kleinen zu Teenagern herangewachsen: „Und wir sind mitgewachsen.“ Für die kalten Herbsttage empfiehlt Vielleserin Efthimiou einen Roman aus den 40er Jahren, der gerade wieder aufgelegt wurde: „Ein Baum wächst in Brooklyn“ von Betty Smith.

Mo–Sa 10–19 Uhr

HERMSDORF

Die Buchhandlung am Fellbacher Platz ist so etwas wie ein Generationentreff für alle Menschen, die mit offenen Augen durch das Leben gehen. Schon die Schaufenster signalisieren das. Da wendet sich eines, natürlich, an Kinder. In zwei anderen erinnern mich Daniel Kehlmann und Orhan Pamuk an die eigenen Defizite. Daneben macht manches neugierig, von dem man gehört und gelesen hat. Und dann gibt es noch ein schmales Fenster, das ist wie das Mitteilungsblatt der Hermsdorfer bürgerschaftlichen Aktivitäten.

Die Botschaft von Gabriele Nöldner und Dieter Hombach (selbst erfolgreicher Krimi-Autor) ist: Kommen Sie rein, schauen Sie sich um, sprechen Sie uns an. 2001 haben sie die Buchhandlung eröffnet, nachdem sie das Ladenlokal in der Heinsestraße 25 entdeckten und fanden, dass Hermsdorf eine gute Buchhandlung verdient habe. Lebendig wird dieser Ort durch die Offenheit, Geduld, Neugier und profunde Kenntnis bei denen, die den Zugang zur Welt der Bücher weit offen halten. Und wenn sich in der Vorweihnachtszeit Kinder zum Nähen, Basteln und Vorlesen zusammenfinden, dann ist man ganz in der Mitte des Lebens.

Mo–Fr 9.30–18.30 Uhr, Sa 9.30–13 Uhr

In Schöneberg animiert Ulrike Hasenfuß, Inhaberin der Kinder- und Jugendbuchhandlung Purzelbuch, schon die Jüngsten zum hemmungslosen Buchgenuss.
In Schöneberg animiert Ulrike Hasenfuß, Inhaberin der Kinder- und Jugendbuchhandlung Purzelbuch, schon die Jüngsten zum hemmungslosen Buchgenuss.

© Kitty Kleist-Heinrich

SCHÖNEBERG I

„Klar, weiß ich was“, rief die Verkäuferin und hüpfte los. Auf der Suche nach einem Geschenk für einen Fünfjährigen waren wir natürlich ins Purzelbuch gekommen. Der Eckladen in der Apostel-Paulus-Straße 5, Ecke Eisenacher Straße, ist im Kiez dafür bekannt, immer eine schöne Idee aus dem Regal zu zaubern. So verriet auch diesmal das Grinsen der Verkäuferin, dass sie „Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne“ von Jakob Martin Strid wahrscheinlich selbst schon unzählige Male vorgelesen hatte. Rund um den Akazienkiez sind Bücherfans ohnehin verwöhnt: Im Bücherberg in der Grunewaldstraße 83 wissen die Inhaber immer, was man lesen möchte, bevor man es selbst weiß. In der Akazienbuchhandlung (Akazienstraße 26) gibt es liebevoll Ausgewähltes für Erwachsene und Kinder und bei Mackensen in der Langenscheidtstraße 4 freut sich das Personal über Fragen mit Niveau.

Das Purzelbuch ist vor gut einem Jahr aus der Belziger Straße hierher gezogen und ist nun viel geräumiger, heller und liebevoller eingerichtet; eine kleine Spielecke mit zauberhaftem Puppengeschirr zieht die Kinder gleich hinein und lässt den Eltern Zeit zum Stöbern – auch eine kleine, feine Auswahl für Erwachsene gibt es. So geht man nie, ohne nicht wenigstens ein Pixi-Buch mitzunehmen. Für die ganz Kleinen kann man hier außerdem selbst genähte Leder-Krabbel-Schuhe in unzähligen Farben und Mustern bestellen, die nicht teurer sind als beim Discounter.

Mo–Fr 10–18.30 Uhr, Sa 10–16 Uhr

SCHÖNEBERG II

Im Schöneberger Kiezbuchladen Motzbuch zwischen Nollendorfplatz und Viktoria-Luise-Platz gibt es sie noch: Die Atmosphäre der alternativen Jahre in Berlin. Nichts könnte weiter entfernt sein vom Kommerz-Ambiente großer Medienkaufhäuser. Gegründet 1983 von Willi Hepperle und seiner Frau, Susanne Twardawa, hat der Laden in der Motzstraße 32 viele gesehen: Autoren, Hausbesetzer, Uni-Revoluzzer, Akademiker, lesende und schreibende Freaks, Buchstaben-Aficionados jeder Art.

Seit die Historikerin Twardawa nicht mehr lebt, führt Willi Hepperle den Laden und ist immer da, wenn er nicht gerade mal Buchpakete zur Post trägt. Twardawas Kiezbücher in der Edition Motzbuch gibt es nur hier, reich illustrierte Kleinode zur Geschichte zentraler Orte der Umgebung, je ein Band zum Viktoria-Luise-Platz, Winterfeldtplatz, Tiergarten und Nollendorfplatz. Buchhändler Hepperle, von Haus aus Stadtplaner und Soziologe, ist selber passionierter Leser und kann zu allem beraten, ob Roman, Reiseführer, Krimi, Comic, Kochbuch, politisches Buch, Kunstbuch, Kinderbuch oder Schulbuch. Der Laden hat oder bestellt alles, mit einer einer Ausnahme: nichts Rechtsradikales.

Mo–Fr 10–13 Uhr und 14–19 Uhr, Sa 10–16 Uhr

MITTE

Die Frage aller Fragen für Printjunkies: „Do you read me?!“ – Wirst du mich lesen? Das ist ja immer nicht schon beim Kauf ausgemachte Sache für Menschen, die schönes Papier, ansprechende Buchstaben, gute Illustrationen und stimmige Titeloptiken emotional ansprechen. Umberto Eco hatte eine Bibliothek von 50.000 Büchern – mathematisch ist fast ausgeschlossen, dass er sie alle gelesen hat. Deshalb ist „Do you read me?!“ schon als Name einer Printwarenhandlung – die junge Kollegin tituliert den Laden in der Auguststraße 28 als „Hipster-Kiosk“ – so charmant: Man hat dort vielfältige Gelegenheit, sich die Einrichtung daheim mit Gedrucktem zu bedenken und immer weiter zu verfeinern. Aktuelle Magazine aus wirklich allen Lebensbereichen und -gegenden, opulente Bildbände (und auch geradezu verschämte Formate) zu Natur und Stadt und ein fein sortiertes Bücherregal mit besonders schön Gedrucktem bietet das Team. Und immer viele Gleichgesinnte, die die Stapel durchstöbern.

Mo–Sa 10–19.30 Uhr

CHARLOTTENBURG I

Neulich hatte sich eine richtige Menschentraube auf dem Bürgersteig vor der Buchhandlung Godolt in der Danckelmannstraße 50 versammelt. Der Laden feierte sein fünfjähriges Bestehen mit einer Lesung, immer wieder blieben Passanten stehen, hörten ein paar Minuten zu, schlenderten weiter. Im Laden selbst wäre ohnehin kein Platz für eine Feier gewesen, die wenigen Quadratmeter gehören ganz den Büchern. Man kann sich kaum umdrehen, ohne mit dem Ellbogen einen Tisch abzuräumen. Die vielen Bände auf engstem Raum können verwirren – Orientierung bringt zuverlässig, geduldig und gut gelaunt Inhaberin Inga Godolt.

Ein Sommerbuch für den Urlaub, aber bitte nicht zu seicht? Kein Problem! Ein Geburtstagsgeschenk für die belesene Tante? Bitte sehr! Ein Bilderbuch für eine schlaue Dreijährige, eher zum Selberangucken als zum Vorlesen? Wie wäre es mit diesen drei Büchern zur Auswahl? Trotz der Enge hält man sich also gerne im Laden auf – um dann umso schneller nach Hause zu eilen und sich in die neu erworbenen Schätze zu vertiefen.

Mo-Mi 10-18 Uhr, Do/Fr 10-19 Uhr, Sa 10–16 Uhr

CHARLOTTENBURG II

Charlottenburger müssen nicht in Urlaub fahren, denn die Ferieninsel liegt vor ihrer Tür: An der Leonhardtstraße kann man mit größtem Wohlbehagen von Laden zu Laden und Café zu Café schlendern. Jeder hat auf dieser Insel seinen Lieblingsort – und für viele ist es die Buchhandlung „Hacker und Presting“, die gerade ihren 20. Geburtstag feierte und deren Regale mit den verlockenden bunten Buchrücken durch die Schaufenster leuchten. Eine der beiden Gründerinnen und Namensgeberinnen ist immer da, um Tipps zu geben, einmal wöchentlich erscheint ein ansteckender Newsletter (Achtung: Lesekrankheit!), den man aus www.hacker-presting.de abonnieren kann. Das Konzept des Ladens in der Leonhardtstraße 22? „Aktuelle Titel und Lieblingsbücher“. So einfach ist das. Und dazu eine Schale mit Schokolinsen, die immer gefüllt ist.

Mo–Fr 9.30–18.30 Uhr, Sa 9.30–15 Uhr

TEMPELHOF

Es gibt nur wenige Gründe, warum man am Tempelhofer Damm, dieser verkehrsbelasteten Ausfallstraße, die so gar nicht zum Flanieren einlädt, überhaupt anhalten sollte. Einer davon ist die Buchhandlung Menger, Hausnummer 186. Sie behauptet sich dort seit Jahrzehnten. Direkt gegenüber von Karstadt. Die Buchhandlung hat Geschichte; sie wurde 1947 von einem überzeugten Sozialdemokraten und Widerstandskämpfer im Dritten Reich gegründet und versorgt seitdem etliche Generationen Tempelhofer mit Lesestoff.

Bis zu einem Eigentümerwechsel vor einigen Jahren war es in dem Traditionsgeschäft noch etwas altmodisch-kuscheliger: Viel dunkles Holz und eine kleine Empore luden richtig zum Kramen und Schmökern ein. Jetzt wirkt der nicht besonders große Raum heller und großzügiger. Was nicht vorrätig ist, wird innerhalb eines Tages beschafft.

Mo–Fr 9–19 Uhr, Sa 9–16 Uhr

Mischa Klemm versorgt den Friedrichshainer Südkiez seit 1996 in seinem Laden „Lesen und lesen lassen“ mit Nachschub für die heimische Bibliothek.
Mischa Klemm versorgt den Friedrichshainer Südkiez seit 1996 in seinem Laden „Lesen und lesen lassen“ mit Nachschub für die heimische Bibliothek.

© Kitty Kleist-Heinrich

FRIEDRICHSHAIN

Wer hätte gedacht, dass es wenige Schritte von Berlins Ballermann an der Simon-Dach-Straße einen so schönen Buchladen gibt! „Lesen und lesen lassen“ – klingt ja schon nach friedlicher Koexistenz. Seit 1996 verkaufen Beate und Mischa Klemm in der Wühlischstraße 30 Belletristik und Kinderbücher, Reiseliteratur und Graphic Novels, Papeterie und Bücher über den Bezirk.

Die Leseecke samt Ohrensessel scheint einem Märchenfilm zu entstammen – leider kann man sie nicht mit nach Hause nehmen, sondern muss sich glücklich schätzen, wenn sie frei ist. Auf dem Tisch daneben werden gerade Romane des frischgebackenen Literaturnobelpreisträgers Kazuo Ishiguro präsentiert, es gibt aber auch Bücher aus Independent-Verlagen und von weniger bekannten Autoren: Einmal habe ich mich auf den Tipp einer Mitarbeiterin eingelassen und habe die nächsten Tage in der fantastisch schrägen, dystopischen Romanwelt von „Puder“ des Norwegers Tor Age Bringsværd verbracht – hätte ich nie selbst ausgesucht.

Mo-Fr 10-19.30 Uhr, Sa 10-19 Uhr

MOABIT

Frühstücken, Mittag- und Abendessen in der Buchhandlung? Des Lesejunkies Traum wird wahr in der Buchkantine. Hier, in der Dortmunder Straße 1, wird der Buchhändler zum Gastgeber. 8000 Titel etwa aus den Bereichen Belletristik, Jugendliteratur oder Hörbücher sind vorrätig. Britta Beecken und Sarah Schaper bestellen aber auch gern beim Großhändler, der über 950.000 Bände verfügt. Wenn man sich von der Auswahl des Lesestoffs erholen möchte, kann man sich mit kleinen Leckereien wie Flammkuchen, Wraps oder Salaten aufrichten, im Sommer auch auf der großzügigen Terrasse.

Da das Bistro längere Öffnungszeiten hat als die Buchhandlung, kann man sich auch einfach von dem genießerisch-intellektuellen Ambiente aus Regalen und blitzenden Buchrücken inspirieren lassen und die nächsten Einkäufe zivilisiert bei einem Glas Wein planen.

Buchhandlung geöffnet Mo–Fr 10–18.30 Uhr und Sa 10–17.30 Uhr. Bistro täglich von 10–22 Uhr.

ZUM WEITERLESEN

Amazon ist praktisch, schnell – und seelenlos. Wer es persönlicher mag, kann sich vom 4. bis zum 11. November in die Woche unabhängiger Buchhandlungen stürzen. 600 Läden in ganz Deutschland machen mit, darunter 33 in Berlin. In der Neuköllner Buchhandlung Stadtlichter (Bürknerstraße 1), liest Theresia Enzensberger heute um 20 Uhr aus ihrem Debütroman „Blaupause“, Eintritt acht Euro. Beim heutigen „Autorensamstag“ werden Schriftsteller zu Buchverkäufern – ab 11 Uhr etwa Olga Grjasnowa („Gott ist nicht schüchtern“) in der Buchbox, Greifswalder Straße 33. Sie signiert ihren Roman und empfiehlt Bücher, die sie selbst gern gelesen hat. Alle Infos hier. Beim parallel stattfindenden Lesemarathon Stadt Land Buch steht in diesem Jahr Literatur aus den Niederlanden und Flandern im Fokus. Margriet de Moor und Stefan Hertmans lesen heute um 17 Uhr im Deutschen Theater aus ihren Büchern, Eintritt acht Euro,

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