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Die Schulpolitik ist nicht nur in Berlin umstritten.

© dpa

Leserbriefe: Zur Schulpolitik

Mehrere Beiträge im Tagesspiegel zur Schulpolitik fanden ein großes Echo. Lesen Sie hier drei Leserbriefe dazu.

Zu den Beiträgen „Auf den Unterricht kommt es an“ vom 12. Oktober, „Der Bildungsalbtraum“ vom 13. Oktober und „Allein schaffen die Grundschulen es nicht“

vom 17. Oktober.

„Hilfe! Berlin noch immer auf dem vorletzten Rang des Rankings!“ Berlin, das sich seiner Reformen rühmt, schneidet so schlecht ab. Das muss ja wohl an der Qualität des Unterrichts liegen ...! Seit etlichen Jahren bestehen pädagogische Innovationen Berlins darin, den Schulen immer mehr aufzubürden. Die Liste der Maßnahmen ist umfangreich. Beispielhaft seien hier genannt: Jahrgangsübergreifendes Lernen, Inklusion, Entwicklung eines Schulprogramms sowie schulinterner Curricula, Einführung der ISS... Der Wert dieser Konzepte ist unumstritten, allerdings nehmen die Verantwortlichen in keinem Fall Rücksicht darauf, dass zu deren Umsetzung gewisse Ressourcen erforderlich sind. Die defizitären schulischen Rahmenbedingungen gehen zu Lasten von Schülern und Lehrern. Dabei bleiben nicht nur Kinder mit Entwicklungsproblemen emotionaler, sozialer oder geistiger Art auf der Strecke... Lernen ist v. a. in der Grundschule etwas anderes als nur „Planerfüllung“.

Wie soll individualisierter Unterricht umgesetzt werden, wenn die Lehrer „am Limit sind“, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen? Maßnahmen der Verwaltung wie z. B. Herabsetzung des Einschulungsalters, Erhöhung der Klassenfrequenzen, „Abschaffung“ des „Förderstatus Lernen“ in der Schulanfangsphase (1/2) sind absolut kontraproduktiv. Zudem finden die wenigen verbliebenen Förderstunden selten statt, da sie in Vertretungsunterricht umgewidmet werden müssen. Schulen haben keinerlei „Puffer“, so dass jede Erkrankung zu Lasten anderer geht. Leider gelingt es dem Senat oft genug, durch plakative Verlautbarungen und vage Umschreibungen zu verschleiern, dass die personelle Basis für die Schulen nicht trägt. Pädagogische Neuerungen werden in der Presse als Erfolg verkauft, indem die mangelnden Voraussetzungen für deren Umsetzung verschwiegen werden. Schlimmer noch: Es wird nicht nur ignoriert, dass unter den gegebenen Bedingungen der gute pädagogische Anspruch nicht umsetzbar ist, vielmehr wird das Versagen der Schule wieder mal den Lehrern angelastet. Täglich verkündet die Presse, die Ausbildung sei unzureichend und der Unterricht schlecht, folglich sind es wieder mal die Lehrer, die schuld sind am schlechten Abschneiden der Schüler! Und wie schafft man Abhilfe? Durch Erweiterung und Konkretisierung der Bildungsstandards, durch noch mehr „Tests“.

Die zuständigen Politiker ignorieren damit, dass Lernen ein komplexer Kommunikationsprozess ist, der als Basis psychosozialer und emotionaler Kompetenzen bedarf. Deren Erwerb können immer weniger Familien aus den unterschiedlichsten Gründen leisten. Die Schule muss hier zunehmend in die Bresche springen, ohne dafür die entsprechenden Ressourcen zu erhalten. Lehrerinnen und Lehrer sind v. a. im Bereich der Grundschule nicht nur Wissensvermittler sondern v. a. Pädagogen, die zunehmend Aufgaben von Eltern, Sozialpädagogen, Familienberatern, Psychologen wahrnehmen müssen, zumal es auch in diesen Bereichen viel zu wenig Unterstützung gibt. Auch hier wird seit Jahren kaputtgespart: Einem stetig wachsenden Bedarf an Helfersystemen steht auch hier eine kontinuierliche Stellenstreichung gegenüber!

So verausgaben sich die engagierten Lehrer und erreichen dennoch wenig. Und dem sollen die Erhöhung der Leistungsstandards und noch mehr Evaluation entgegenwirken?! Für jeden Grundschulpädagogen ist dies ein Hohn! Es wird Zeit, dass diese plakative, ausschließlich leistungsorientierte, dilettantische Schulpolitik ersetzt wird durch eine pädagogische Sichtweise, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen ihrer Klientel orientiert. Andernfalls muss einem um die junge Generation angst und bange werden, viele werden auf der Strecke bleiben ... Christel Graaf, Sonderschullehrerin i. R., Berlin

„Schule fällt aus“ vom 19. Oktober

Die Unterrichtsausfallstatistik von 2015/16 gibt nicht die wahre Situation an den Berliner Grundschulen wieder. Viele Unterrichtstunden, die ausfallen müssten, werden auch durch Aufteilung von Klassen vertreten, dies kommt in der Unterrichtsausfallstatistik aber gar nicht vor. Das Problem liegt nicht an den Schulen selbst, sondern an ihrer personellen Ausstattung. Die Senatsbildungsverwaltung soll doch einmal veröffentlichen, wie viele Grundschulen nicht mit 100 Prozent Lehrerausstattung das Schuljahr begonnen haben. Seit der Abschaffung der 103 prozentigen Ausstattung sind Schulleitungen auf der Jagd nach Menschen, die sie über PKB-Mittel als Vertretungen für erkrankte Lehrerinnen und Lehrer einstellen können. Wenn es überhaupt noch welche gibt, sind es Lehrer ohne volle Lehrbefähigung oder bereits pensionierte Lehrerinnen und Lehrer, die ihren alten Schulen helfen wollen. Die Schulen an den Pranger zu stellen, halte ich für falsch. Die fehlende Weitsicht der politisch Verantwortlichen, dass Lehrer nicht auf Bäumen wachsen, die man bei Bedarf ernten kann, sondern an den Universitäten ausreichend ausgebildet werden müssen, also ein fehlender Personalentwicklungsplan ist dafür verantwortlich. Die Berliner Grundschule, aber auch der Erzieherbereich braucht eine 110 prozentige Ausstattung, damit Unterricht, aber auch der Kita- und Hortbereich, funktionieren kann. Die Lehrergewerkschaften fordern diese Ausstattung schon seit Langem. Ich frage mich allerdings, warum die Eltern über ihre Vertretungen bis zum Landeselternausschuss sich nicht zu Wort melden? Es geht um die Zukunft ihrer Kinder! Heidrun Quandt, Berlin

Warum werden nicht die Stärken einer der genannten Schulen benannt. Diese Kinder und Jugendlichen haben besonders schwierige Familienverhältnisse, die ihnen einen regelmäßigen Schulbesuch erschweren. Ist es da nicht viel eher die Aufgabe der gesamten Gesellschaft, Kindern und Jugendlichen die Freude am Lernen, am Miteinander zu vermitteln? Sie darin zu unterstützen, dass der Weg in die Schule der richtige ist? Das erreichen wir keineswegs, wenn immer wieder dargestellt wird, dass Schulen mit dem zur Verfügung gestellten Geld nicht richtig umgehen, dass Schulen etwas nicht in den Griff bekommen. Gerade heute müsste es viel mehr darum gehen, die nachwachsenden Generationen in ihren Stärken wahrzunehmen und zu unterstützen. Es wäre wünschenswert, wenn die Autorin darüber schreiben könnte, wie die Schülerinnen und Schüler sich bemühen. Das würde deutlich machen, wie wichtig die tägliche Wertschätzung für Kinder und Jugendliche ist. Schule wird nicht besser, indem sie in negativen Schlagzeilen erscheint. Schule ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns alle stellen sollten. Auch für Schülerinnen und Schüler, die schwänzen, gibt es Lösungen. Arbeiten wir doch alle gemeinsam an Lösungen und nicht an Anklagen. Gabriele Langel-Carossa, Bremen

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