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Berlin: Lesung: Ein Mann des Wortes unter Räuberplatten und Grilltellern

Die Erwartungen des Publikums waren hoch, und sie sollten erfüllt werden. Dabei war die Konstellation des Abends eher ungewöhnlich: Der Publizist Jürgen Elsässer - ehemaliger Chefredakteur der Jungen Welt, Mitgründer der Jungle World und heute Konkret-Redakteur - war am Freitag zu einer winterlichen Lesung in das Schöneberger Restaurant Morava gereist, um dort über sein Buch "Kriegsverbrechen - Die tödlichen Lügen der Bundesregierung und ihre Opfer im Kosovo-Konflikt" zu sprechen.

Die Erwartungen des Publikums waren hoch, und sie sollten erfüllt werden. Dabei war die Konstellation des Abends eher ungewöhnlich: Der Publizist Jürgen Elsässer - ehemaliger Chefredakteur der Jungen Welt, Mitgründer der Jungle World und heute Konkret-Redakteur - war am Freitag zu einer winterlichen Lesung in das Schöneberger Restaurant Morava gereist, um dort über sein Buch "Kriegsverbrechen - Die tödlichen Lügen der Bundesregierung und ihre Opfer im Kosovo-Konflikt" zu sprechen. Gekommen waren an die 50 Zuhörer, die im vorderen Teil des Balkan-Grills den Ausführungen des linken Journalisten folgten, während im Hintergrund unbeirrt weiter riesige Räuberplatten und Grillteller mit Pommes aufgefahren wurden. Eingeladen hatte Vladan Rakic, Schriftsteller und Chefredakteur des im Spree-Kanal ausgestrahlten serbischen Programms "Delta TV".

Elsässer saß an einem Tisch vor holzgetäfelter Wand unter einem zu dem Thema in seltsamem Kontrast stehenden Gemälde mit pastoralem Motiv, eingerahmt von zwei ausgestopften Fasanen. Und auch das Publikum schien Widersprüche in sich zu vereinen. Doch auch wenn die deutschen und die serbischen Gäste ganz unterschiedliche politische Biographien aufweisen dürften, so wollten doch beide Parteien von Elsässer die gleiche Meinung bestätigt hören: Dass Serbien im Kosovo-Konflikt von Deutschland aus Unrecht geschehen war.

Elsässer hielt sich mit vorschnellen Urteilen zurück und warnte davor, etwa das Leid von vergewaltigten Frauen zu verharmlosen, auch wenn es keine Massenvergewaltigungen gegeben haben sollte. Er sei jenseits jeder Weltanschauung um Aufklärung bemüht, sagte er. Und doch erging er sich schließlich in Verschwörungs-Szenarien, die vor allen Dingen die Medien betrafen, die die Fakten nicht wahrhaben wollten oder durften.

Die Verschwörungstheorien trafen den Nerv des serbischen Publikums. Während der Luftschläge hatten sie in Berlin um das Leben ihrer Verwandten in Serbien gebangt und mussten miterleben, wie sich ihre Wahlheimat Deutschland an der Bombardierung unter allgemeinem Beifall beteiligte. Jetzt konnten sie sich in ihren Nöten endlich Ernst genommen fühlen. Und als Mann des Wortes trauten sie Elsässer viel zu: Er möge doch noch Bücher über die Rolle der Geheimdienste und das unheilvolle amerikanische Engagement schreiben, wurde er mehrfach gebeten.

Die Vertreter der deutschen Friedensbewegung übten sich hingegen in apokalyptischen Visionen, wonach es demnächst noch zu vielen weiteren Kriegen kommen werde. Als sie immer häufiger vom deutschen und von anderen Völkern sprachen und von Seiten eines Siebenbürger-Deutschen anti-israelische Ausfälle zu hören waren, wurde Elsässer - unter anderem auch Autor der "Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung" - immer einsilbiger in seinen Antworten. So einfach sei das nicht mit dem großen Satan Amerika, sagte er einmal, worauf ihm ein trotziges "Doch!" entgegenschallte.

Alexander Pajevic

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