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Ein Klimaaktivist auf einem Rollfeld des BER.

© Foto: „Letzte Generation“

Update

Letzte Generation“ blockiert BER: Klimaaktivisten legen Flugverkehr zeitweise lahm – scharfe Kritik aus der Bundespolitik

Klimaschützer der „Letzten Generation“ sind am BER in den Sicherheitsbereich eingedrungen. Es mehren sich Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen sie.

| Update:

Klimaschützer der „Letzten Generation“ haben den Berliner Hauptstadtflughafen BER am Donnerstag für fast zwei Stunden lahmgelegt. Nachdem mehrere Aktivisten am Nachmittag auf das Flughafengelände eingedrungen waren, stellte der BER den Flughafenbetrieb vollständig ein. Am Abend wurden beide Start- und Landebahnen des Airports im brandenburgischen Schönefeld wieder freigegeben. Die Aktion zog zum Teil scharfe Kritik auch aus der Bundespolitik nach sich – verbunden mit Zweifeln an dieser Form des Protests generell.

Wie die Bundespolizei mitteilte, hatten sich am Nachmittag zwei Gruppen bestehend aus jeweils mehreren Menschen Zugang zum BER verschafft. Einige von ihnen hätten sich am Boden festgeklebt. Die Gruppe selbst teilte mit, dass einige Aktivisten mit Fahrrädern über das Gelände gefahren seien.

Die „Letzte Generation“ streamte die Aktion live bei Twitter. Dort war zu sehen, wie Aktivisten kurz nach 16 Uhr einen Zaun durchschnitten und auf das Flughafengelände gingen. Anschließend hielten sie Banner in die Kamera und erklärten ihre Motive. Etwa zehn Minuten nach Beginn der Aktion war im Livestream Blaulicht zu erkennen, wenig später waren auch Polizisten zu hören. Gegen 18.15 Uhr kam dann Entwarnung.

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Nach Angaben eines Flughafensprechers drangen die Aktivisten sowohl auf der Nord- als auch auf der Südseite auf das BER-Gelände ein – entsprechend musste auf beiden Start- und Landebahnen der Betrieb gestoppt werden.

Nach der Aktion nahm die Polizei mehrere Menschen in Gewahrsam. Es dürften mehrere Straftatbestände vorliegen: Gegen die Klimaaktivisten werde Anzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Flugverkehr, Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung erstattet, teilte das Polizeipräsidium Brandenburg auf Anfrage mit. Nähere Details, etwa zur Zahl der beteiligten Personen, gab es zunächst nicht.

Wie eine Flughafensprecherin auf Nachfrage erklärte, mussten wegen der Aktion bis 19.15 Uhr insgesamt 15 Flüge umgeleitet werden. Die Maschinen landeten an den Flughäfen Leipzig/Halle, Dresden und Düsseldorf. Zudem seien fünf geplante Starts gestrichen worden. Am Freitagmorgen lief der Flughafenbetrieb wieder normal, wie ein Sprecher sagte.

Innenministerin sorgt sich um Akzeptanz für Kampf gegen Klimawandel

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einer „erneuten Eskalation“. „Diese Aktionen zerstören wichtige gesellschaftliche Akzeptanz für den Kampf gegen den Klimawandel“, sagte die SPD-Politikerin. Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, betonte: „Unsere Demokratie funktioniert nicht so, dass ich meine Ziele im Namen der guten Sache mit jedem Mittel durchsetzen kann.“ Eine Flughafenblockade sei kein legitimes Mittel. „Sich dafür in den Sozialen Medien abzufeiern, schadet dem Anliegen insgesamt.“

Marco Buschmann (FDP), Bundesjustizminister, warb für harte Strafen. „Bin für die volle Härte des Gesetzes“, twitterte er am Freitag. Wenn Leben gefährdet würden und Menschen nicht in den Urlaub könnten, sei das nicht akzeptabel, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour dem Fernsehsender Welt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing kritisierte das Vorgehen der Aktivisten scharf. Das Demonstrationsrecht sei zwar ein Grundrecht, doch die Aktionen würden „immer skrupelloser“, teilte der FDP-Politiker am Abend über eine Sprecherin mit. „Die Gesellschaft kann ein solches Verhalten nicht hinnehmen.“ Der Rechtsstaat müsse dagegen „entschieden vorgehen“.

Ich bleibe dabei: Wer für seine Weltanschauung absichtlich andere in Gefahr bringt, ist kein Aktivist, sondern ein Krimineller.

Michael Stübgen (CDU), Brandenburgs Innenminister

Ähnlich scharf äußerten sich Parteifreunde Wissings. „Protestaktionen dieser Art sind vollkommen illegitim und können nicht länger einfach so hingenommen werden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Nachrichtenportal „t-online“. Es müsse die „volle Härte des Rechtstaates“ greifen.

Der Berliner FDP-Chef Sebastian Czaja sprach von „Klima-Kriminellen“ und forderte auch ein energischeres Einschreiten der Landespolitik. „Die watteweiche Gangart des Berliner Senats bei der Bekämpfung solcher Aktionen erreicht genau ihr offensichtliches Ziel: nichts.“ Czaja plädierte für die Einrichtung einer zentralen Plattform, damit Leidtragende von Blockaden Ansprüche – „zum Beispiel wegen Arbeitszeitausfall, Betreuungsmehrkosten oder Ertragseinbußen“ – zentral anmelden können.

„Heute haben die Straftäterinnen und Straftäter eine weitere Eskalationsstufe gezündet. Das zeigt, dass die verhängten Strafen bisher offensichtlich nicht geeignet waren, Wiederholungstaten zu verhindern“, sagte der Berliner FDP-Innenexperte Björn Jotzo am Abend. „Fast täglich terrorisieren kriminelle Blockierer die Berlinerinnen und Berliner auf den Straßen und der Berliner Senat schaut immer noch zu oder klatscht sogar heimlich Beifall.“

CDU-Generalsekretär Czaja: „Vorbeugehaft, Aufenthaltsverbote, Bußgelder“

CDU-Generalsekretär Mario Czaja, Bruder des Berliner FDP-Fraktionschefs, sagte „t-online“: „Der Rechtsstaat kennt die nötigen Instrumente, um sich gegen solche Straftaten zu wehren. Sie müssen jetzt auch konsequent angewendet werden: Vorbeugehaft, Aufenthaltsverbote, Bußgelder.“

AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla forderte den Verfassungsschutz auf, im Fall der „Letzten Generation“ aktiv zu werden. Nicht Meinungen, sondern Handlungen müssten für dessen Bewertung maßgeblich sein. „Die Sicherung kritischer Infrastruktur muss dabei oberste Priorität haben“, sagte Chrupalla.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte dem Tagesspiegel: „Der Vorfall am Flughafen BER ist ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr – dabei handelt es sich um eine schwere Straftat, die im schlimmsten Fall sogar Menschenleben gefährdet“ Dies sei durch nichts zu rechtfertigen. „Ich bleibe dabei: Wer für seine Weltanschauung absichtlich andere in Gefahr bringt, ist kein Aktivist, sondern ein Krimineller“, sagte Stübgen.

Berlins Grünen-Chefin: BER muss Sicherheitskonzepte überarbeiten

Verhaltener kritisierten die Grünen die Aktion am BER, von den Linken bekamen die Klimaschützer sogar Unterstützung. Die Berliner Grünen-Landesvorsitzende Susanne Mertens betonte bei „t-online“, Protest müsse die Gefährdung anderer Menschen ausschließen. „Allerdings muss der BER offenbar seine Sicherheitskonzepte überarbeiten.“ Ihr Parteikollege Konstantin von Notz, Fraktionsvize im Bundestag, kritisierte die Aktion als „kontraproduktiv, anmaßend und potenziell gefährlich“.

Diese Aktionen sind umstritten, aber sie legen auch den Finger in die Wunde der politischen Untätigkeit angesichts der Klimakatastrophe.

Martin Schirdewan, Bundesvorsitzender der Linke

Linken-Bundeschef Martin Schirdewan verteidigte die „Letzte Generation“ hingegen. „Diese Aktionen sind umstritten, aber sie legen auch den Finger in die Wunde der politischen Untätigkeit angesichts der Klimakatastrophe.“ Schirdewan forderte stattdessen ein „Verbot von Privatjetflügen“, statt „der nächsten Empörungswelle hinterherzulaufen“.

Flughafenverband: Gefährdung des Luftverkehrs „nicht hinnehmbar“

Auch die „Letzte Generation“ selber äußerte sich am Freitag zu der Protestaktion. „Uns geht es nicht um Beliebtheit“, erklärte eine Sprecherin. „Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, endlich ihren Job zu machen und erste Sicherheitsmaßnahmen gegen die eskalierende Klimakrise zu ergreifen.“ 

Für den Flughafenverband ADV teilte eine Sprecherin mit, es fehle jedes Verständnis für die Protestaktionen. „Es ist nicht hinnehmbar, wenn die Sicherheit des Luftverkehrs gefährdet wird.“

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin, erklärte zu der Aktion am Donnerstag: „Es war zu erwarten, dass es nicht bei den bisherigen Guerilla-Aktionen auf wichtigen Verkehrswegen im Straßenverkehr bleibt. Heute hat man nochmal deutlich klargemacht, dass man zu Straftaten bereit ist und der demokratische Rahmen für diese Organisation keinerlei Bedeutung hat.“ Bei der Aktion handle es sich um gefährliche Eingriffe in den Luftverkehr. Darauf stünden ausschließlich Freiheitsstrafen, betonte Jendro.

Im Berliner Stadtgebiet fand zudem eine weitere Blockadeaktion der Protestgruppe statt. Sechs Menschen blockierten die Kreuzung Greifswalder Straße Ecke Danziger Straße, erklärte die Berliner Polizei auf Nachfrage. Vier davon hatten sich an der Fahrbahn festgeklebt. Laut Verkehrsinformationszentrale Berlin bildeten sich auf der Greifswalder Straße, der Storkower Straße und der Grellstraße Staus. Am späten Nachmittag war die Greifswalder Straße stadteinwärts wieder befahrbar, gegen 17 Uhr auch stadtauswärts.

Die Aktivisten der Gruppe hatten in den vergangenen Wochen immer wieder den Straßenverkehr blockiert, sich an Gemälden in Museen festgeklebt und in dieser Woche in der Hamburger Elbphilharmonie an einem Dirigentenpult – um Aufmerksamkeit auf die Folgen des Klimawandels zu lenken. Sie ernteten für diese Aktionen bereits viel Kritik. In einer Umfrage hielten 86 Prozent der Befragten die Proteste für kontraproduktiv. (mit dpa)

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