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Berlin: Letzter Aufruf für den Berlinale-Airport

ABSCHIED VON TEGEL Für den Flughafen geht die Glamour-Zeit zu Ende Unzählige Stars sind dort gelandet. Immer wieder gab es Hauen und Stechen.

Verfluchter Flugplan – auf nichts kann man sich verlassen. Festivalchef Moritz de Hadeln war ratlos, zerrissen zwischen Catherine Deneuve und Kim Novak: „Ich kann doch nicht zu beiden gleichzeitig.“ Wie aus dem Nichts hatte sich eine heikle Protokollfrage aufgetan: Ankunft Flug AF 1572 aus Paris mit der Deneuve um 15 Uhr in Tegel, BA 964 aus London-Heathrow eine knappe halbe Stunde später mit Novak – ein fein abgestimmtes Zeitfenster, das sich plötzlich wieder schloss: Air France hatte eine halbe Stunde Verspätung. Voraussichtliches Eintreffen also zur selben Zeit, zwei Stars an verschiedenen Flugsteigen, aber nur ein Empfangskomitee und vor allem: nur ein Festivalchef.

Noch ist beim aktuellen Filmfest von einem vergleichbaren Abgrund der Etikette wie 1997 nichts bekannt geworden, viel Zeit für solche – letztlich unterhaltsamen – Pannen gibt es aber nicht mehr, jedenfalls nicht an gewohntem Ort: Nur noch bis zum 19. Februar, dann büßt auch Tegel seine Rolle als Flughafen der Stars ein, wird in dieser Funktion abgewickelt wie Tempelhof vor vier Jahren. Mag sein, dass bis zum endgültigen Aus dann noch vereinzelt Sternenglanz aufleuchtet, aber nie mehr in dieser Häufung wie jahrein, jahraus zur Berlinale.

Tegels letztes Filmfestival also. Zeit für ein paar Abschiedstränen, Gelegenheit auch, die schier endlos scheinende Kette von Supernovae der Filmgeschichte, von still leuchtenden Sonnen und rasch verglühenden Sternschnuppen noch einmal Revue passieren zu lassen. Zwar wurde aus Tegel nie ein Filmheld per Postkutsche abgeholt wie einst Lee Marvin anlässlich „Cat Ballou“ 1965 in Tempelhof. Aber Catherine Deneuve, wie sie – nunmehr 1998 – von einem Trupp Polizisten in die Mitte genommen, aus dem Abfertigungsraum hinaus und ins wartende Auto geleitet wurde, war auch schon bemerkenswert.

Da ging es früher sehr viel stilvoller zu. Üblich waren offenbar ein Glas Sekt oder andere Getränke zur Begrüßung, für Claude Chabrol und Stéphane Audran (1968), Gina Lollobrigida (1965) oder auch Charles Aznavour, Eddie Constantine und Sidney Poitier (1963). Oft nutzten die prominenten Fluggäste schon die Ankunftsszene zur Selbstdarstellung, nahmen noch auf der Gangway mit dem bezauberndsten Lächeln die Rosen von Festivalchef Alfred Bauer entgegen wie Claudia Cardinale 1964 oder gaben sich hemdsärmelig, fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft und mit einer Fluppe in der Hand wie Rainer Werner Fassbinder (1973).

Wer ist dort nicht alles gelandet, voller Hoffnung auf einen Bären oder zumindest rauschende Partys und anregende Gespräche, und manch einer kam gleich mehrfach: Jean-Louis Trintignant, Charlotte Rampling, Jeanne Moreau, Shirley MacLaine, Ben Kingsley, Bud Spencer, Jeff Goldblum, Angela Molina, Gérard Depardieu, Oliver Stone, Tilda Swinton, Faye Dunaway, Tony Curtis, Goldie Hawn, Renée Zellweger, Demi Moore samt Ashton Kutcher, Alain Delon, sogar Astrid Lindgren und viele mehr.

Es gab oft ein Hauen und Stechen zwischen den herbeigeeilten Fotografen und Kamerateams, Beißrituale im Gerangel um den besten Platz, die die Festivalleitung regelmäßig zu mahnenden Worten veranlassten. „Wir möchten nicht, dass sie Angst kriegt“, suchte Moritz de Hadeln vor der Ankunft Sophia Lorens 1994 die Truppe zu bändigen – womit er nur bei zwei Flughafenmitarbeitern Erfolg hatte: Als sich der Pulk mit der Diva an ihnen vorbeischob, schraubten sie ungerührt an der Tür eines Aufzugs herum.

Gregory Peck dagegen hatte 1993 die Organisatoren sogar gebeten, man möge seine Ankunftszeit geheim halten – vergeblich. Presse und Autogrammjäger hatten es dennoch rausgekriegt. Immerhin, das Protokollproblem mit Catherine Deneuve und Kim Novak hat sich dann doch von selbst gelöst: Air France landete zwar zu spät, British Airways aber zu früh – so blieb genug Zeit für beide.

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