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Berlin: Letztes Plädoyer im Fall Sürücü

Verteidiger fordert harte, aber nicht höchste Strafe

Hart, aber doch „merklich entfernt“ von der Höchststrafe. So soll das Urteil für Ayhan Sürücü, den Todesschützen, nach Vorstellung seines Verteidigers ausfallen. „Die Tat geschah aus schierer Verblendung und Unreife heraus“, sagte Anwalt Kai Haake gestern in seinem Plädoyer. Der damals 18-jährige Ayhan habe seine Familie schützen wollen, als er auf seine Schwester Hatun schoss. Er habe geglaubt, das Richtige zu tun, tatsächlich aber alles zerstört. Man müsse bei der zu verhängenden Jugendstrafe nicht ans obere Ende der Skala gehen. Einen konkreten Antrag stellte Haake allerdings nicht.

Am letzten Prozesstag vor dem Urteil nahmen sich Ayhan Sürücü und seine mitangeklagten Brüder Alpaslan und Mutlu zusammen. Kein Kopfschütteln, kein Lachen, keine Zwischenrufe – im Gegenteil: Ayhan wirkte nachdenklich und sprach in seinem Schlusswort von Reue. „Ich wünschte, die Tat wäre nicht passiert, ich habe vielen Menschen viel Leid zugefügt, es tut mir leid.“ Seine Brüder distanzierten sich gestern deutlich von der Tat. „Wenn ein Mensch einen anderen Menschen umbringt, verdient er meine große Verachtung“, sagte der 25-jährige Alpaslan. Ihm sei der Lebensstil seiner Schwester auch völlig egal gewesen. „Ich habe die Tat nicht gebilligt.“ Und der 26-jährige Mutlu versicherte: „Ich hätte mein Bestes gegeben, die Tat zu vermeiden, hätte ich davon gewusst.“

Die Staatsanwaltschaft ist jedoch davon überzeugt, dass alle drei Brüder in den Mord verstrickt sind. Laut Anklage haben sie ihre Schwester Hatun Sürücü getötet, weil sie sich durch den westlichen Lebensstil der 23-Jährigen in ihrer Familienehre verletzt sahen. Die drei Brüder hätten sich deshalb zum „Vollstrecker eines selbst gefällten Urteils“ erhoben. Die Deutsch-Türkin Hatun Sürücü wurde am 7. Februar letzten Jahres an einer Bushaltestelle in Tempelhof durch drei Kopfschüsse regelrecht hingerichtet.

Nach knapp siebenmonatiger Verhandlung wollen die Richter am Donnerstag ihr Urteil verkünden. Ayhan Sürücü drohen nach Jugendstrafrecht bis zu zehn Jahre Haft. Der Staatsanwalt blieb mit seinem Antrag nur knapp darunter. Alpaslan und Mutlu Sürücü sollen nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Der eine habe in Tatortnähe moralischen Beistand geleistet, der andere die Waffe besorgt.

Ayhan Sürücü habe eine „furchtbare, sinnlose Tat begangen“, sagte sein Anwalt. Sein Mandant bereue den Anschlag auf seine Schwester zutiefst. „Wenn er hier im Prozess sitzt und sich unbekümmert gibt, dann ist es ein Zeichen seiner Unreife.“

Kerstin Gehrke

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